Quelle: Wiener Zeitung am 13.07.2021 (S. 16)
Dass die Energiepreise steigen werden, liegt am Ausbau erneuerbarer Energiequellen – und am komplexen Stromnetz.
Das Ziel ist ambitioniert: Bis 2030 soll der komplette Strom, der aus Österreichs Steckdosen fließt, aus erneuerbaren Energiequellen stammen – aus Windenergie, Wasserkraft, Biomasse und Fotovoltaik also. Dazu müssen die Kapazitäten um 27 Terawattstunden erhöht werden. Das entspricht einer Steigerung der bestehenden Ökostromproduktion um satte 50 Prozent. Um diesen Kraftakt zu stemmen, wurde vergangene Woche das sogenannte Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG) im Nationalrat beschlossen. Es legt die Rahmenbedingungen für den Ausbau erneuerbarer Energiequellen in den kommenden zehn Jahren fest. Bezahlt wird die Förderung aus Steuergeldern und von den Verbrauchern selbst.
30 Euro mehr pro Jahr
Die Wiener Netze beliefern rund 555.000 Haushalte in Wien und Umgebung mit Erdgas. Über Gasthermen heizen sie mit dem fossilen Brennstoff. Auch gekocht wird in vielen Wiener Wohnungen noch mit Gas. Kunden der Wiener Netze trifft das EAG. Sie müssen in Zukunft tiefer in die Tasche greifen. „Wir rechnen damit, dass die Preise für Erdgas im statistischen Schnitt pro Jahr und Haushalt um etwa 30 Euro steigen werden“, heißt es aus dem Ministerium für Klimaschutz auf Anfrage der „Wiener Zeitung“.
Auch Strom wird teurer, wenn auch nur geringfügig. Bisher zahlte ein Haushalt in Österreich im Schnitt zwischen 90 und 100 Euro Ökostromabgabe im Jahr. Durch das neue Gesetz dürfte die Abgabe laut Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) auf 114 Euro steigen. Bei den Wiener Netzen will man sich auf keine konkreten Zahlen festlegen. „Wir betreiben das Gas- und Stromnetz, für Gebühren und Steuern sind wir nicht zuständig“, sagt Christian Call, Pressesprecher der Wiener Netze.
Call sieht jedoch eine Steigung der Stromnetzgebühr voraus. „Die Talsohle der Gebühr ist erreicht, sie wird in Zukunft teurer werden.“ Der Strompreis setzt sich aus drei verschiedenen Teilen zusammen – aus Steuern und Abgaben, aus den Kosten für den Strom selbst und aus den Kosten für das Netz, über das er transportiert wird. Alle drei Teile sind in etwa gleich groß.
Komplexes Stromnetz
Die Netzgebühr wird laut Call in Zukunft steigen, weil das Stromnetz immer komplexer wird. „Früher war die Sache einfach. Es gab eine Stromerzeugungsanlage, die die nahe Umgebung belieferte.“ Heute sei die Stromversorgung dezentraler. „Der Strom kommt von verschiedenen Anlagen, von Windparks aus dem Tullnerfeld oder dem Marchfeld, von privaten Fotovoltaik-Anlagen. Der Strom fließt in beide Richtungen, Stromkonsumenten sind gleichzeitig Stromerzeuger. Auch die Daten werden komplexer. „Der klassische Stromzähler hat ausgedient. Moderne, intelligente Zähler müssen auslesen können, zu welcher Uhrzeit wie viel Strom verbraucht und produziert wird.“ Diese Infrastruktur hat ihren Preis. Netzgebühr und EAG werden sich also auf die Stromrechnung auswirken. Doch nicht bei allen Kunden.
Die SPÖ hat die soziale Verträglichkeit des Gesetzes als Bedingung für ihre notwendige Zustimmung gestellt. Haushalte, die aufgrund ihres niedrigen Einkommens von der GIS-Gebühr befreit sind, sind auch in Zukunft von der Ökostromabgabe befreit. Außerdem wird die jährliche Pauschale für einkommensschwache Haushalte auf 75 Euro pro Jahr gedeckelt.
Wiener Zeitung