„Wir werden in der EU beim Klima vorangehen“

19. Juli 2021

Klimaministerin Leonore Gewessler (Grüne) will die neuen strengen Klimavorgaben der EU in Österreich sogar noch übertreffen. Am Klimacheck für die Straßenbauten hält sie fest. Von Hubert Patterer und Günter Pilch

Wie zufrieden sind Sie mit dem Klimapaket der EU-Kommission?
Leonore Gewessler: Das Paket ist auf den ersten Blick gut und ambitioniert. Wir prüfen gerade alle Details, um einen konkreten Überblick zu haben. Es ist wichtig, dass die Kommission mit ihren Maßnahmen auf alle Sektoren abzielt. Jetzt wird es vor allem darum gehen, es umfassend zu diskutieren und dann rasch umzusetzen.


Österreich muss seine Klimaziele für 2030 auf 48 Prozent erhöhen. Welche Folgen hat das?
Wir haben uns in Österreich vorgenommen, schon 2040 klimaneutral zu sein. Das bedeutet: Wir werden auch in der EU vorangehen und zeigen, wie gut Klimaschutz funktioniert. Deshalb habe ich immer gesagt, wir werden unsere Emissionen bis 2030 mehr als halbieren, und das setzen wir jetzt auch um.


Die EU-Kommission plant einen eigenen Emissionsrechtehandel für Verkehr und Gebäude. Wird damit auch Österreich diesen Weg für die ökosoziale Steuerreform wählen?
Die Diskussion zur ökosozialen Steuerreform führen wir im Moment sehr intensiv. Wir haben uns darauf geeinigt, dass wir im Jahr 2022 auch in Österreich eine CO2-Bepreisung einführen werden und parallel die Menschen entlasten. Über die genauen Varianten sprechen wir gerade, denn wichtig ist, dass am Ende das beste System für Österreich steht.


In Österreich wogt der Streit um die Asfinag-Bauprojekte. Spüren Sie wachsenden Druck?
Zunächst einmal: Wir haben eben eine große Hitzewelle erlebt, werden Zeugen von zerstörerischen Hagelunwettern. Die Klimakrise ist da, und sie ist ein Handlungsauftrag. Die Infrastruktur, die wir heute bauen, bestimmt darüber, wie wir morgen mobil sein werden. Deshalb nehmen wir uns die Zeit, das Bauprogramm der Asfinag in der Gesamtheit anzuschauen. Das sind gut investierte drei Monate. Wir haben im Regierungsprogramm das Ziel der Klimaneutralität bis 2040, wollen den Bodenverbrauch reduzieren.

Was heißt das in Hinblick auf die Infrastruktur, die wir brauchen?
Wurden solche Fragen bisher nicht gestellt?

Es gibt natürlich Genehmigungsverfahren, in denen geprüft wird, ob ein Projekt die gesetzlichen Mindestanforderungen erfüllt. Aber viele Entscheidungen für diese Projekte sind 20, 30 oder 40 Jahre alt. Sich jetzt die Zeit zu nehmen und zu schauen, ob damals als sinnvoll erachtete Dinge es mit dem Blick aufs Gesamte immer noch sind, ist vernünftig.


Könnte die Koalition am Ergebnis der Evaluierung zerbrechen?
Nein. Wir haben ein gemeinsames Regierungsprogramm und gemeinsame Ziele beim Klima und Bodenverbrauch. Nach diesen Fragestellungen passiert die Evaluierung.


Zum 1-2-3-Ticket: Die landesweite Version soll in der Steiermark rund 550 Euro kosten statt der von Ihnen geplanten 365 Euro. Akzeptabel?
Ich freue mich, dass mit der Steiermark nun schon das sechste Bundesland an Bord ist. Auch bei den regionalen Klimatickets finanziert der Bund mit, aber es sind grundsätzlich Angebote der Bundesländer. Wir sind dabei aber natürlich gut abgestimmt.


Das neue EAG soll den Erneuerbare-Energie-Ausbau massiv beschleunigen. Kärnten will keine Fotovoltaik auf Freiflächen. Ist das realistisch?
Das EAG sieht vor, dass primär bereits genutzte Flächen und Infrastruktur für den Ausbau herangezogen werden sollen. Wir werden aber auch Freiflächen brauchen. Deshalb arbeiten wir jetzt mit allen Ländern am Umsetzungsprozess des EAG.


Man hat den Eindruck, dass fast jedes Wind- und größere Fotovoltaikprojekt auf Widerstand trifft. Wie passt das zu den Ausbauplänen?
Der Eindruck täuscht. Die allermeisten Projekte werden völlig geräuschlos realisiert. Es funktioniert meistens dort besonders gut, wo man die Menschen beteiligt. Deshalb haben wir in das EAG ökologische Kriterien eingebaut.
Am Ende des Tages wird das Land aber anders aussehen.
Das stimmt, wir werden auf vielen Dächern Fotovoltaikanlagen sehen. Und ich persönlich schaue viel lieber auf ein Windkraftwerk als auf ein Kohlekraftwerk.

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