ÖVP will UVP-Verfahren beschleunigen

4. August 2021, Wien/Genf
Staatssekretär Magnus Brunner
 - Wien, APA/HERBERT PFARRHOFER

In der türkis-grünen Regierung herrscht in Sachen Klimaschutz weiter schlechte Stimmung. Die Grünen reagierten auf die kritischen Aussagen von ÖVP-Staatssekretär Magnus Brunner über Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) verschnupft. Brunner hatte im APA-Interview die von Gewessler angeordneten Evaluierungen von Straßenbauprojekten kritisiert und der Ministerin mangelnde Einbindung vorgeworfen. Er forderte zudem beschleunigte UVP-Verfahren.

Die türkis-grüne Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, dass der Strom in Österreich bis 2030 zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energiequellen kommen soll. Um das zu erreichen, müssten Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVP) beschleunigt werden, argumentiert Brunner. Mit dem kürzlich vorgelegten Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz habe die Bundesregierung einen großen Schritt gesetzt, nun müssten aber Taten folgen und diese erfordern nach Ansicht von Brunner schnellere UVP-Verfahren, um die nötige Infrastruktur (Windparks, Wasserkraftwerke oder Biomasseanlangen) zu schaffen. Bis 2030 seien es nur mehr neun Jahre, „wir können uns keine Verzögerungen leisten“. Gesetze und Fördermittel alleine reichen nicht, wenn die Projekte aufgrund langer UVP-Verfahren erst in zehn Jahren oder gar nicht realisiert werden können. „Wir müssen die Projekte umsetzen und auf den Boden bringen, sonst war das riesige Energiepaket umsonst.“

Eine Novelle des UVP-Gesetzes sei daher dringend notwendig und sollte nach Ansicht Brunners bis zum Herbst vorliegen. In dieser Novelle soll eine verbindliche Maximaldauer von zwei Jahren verankert werden, Stellungnahmen und Beweisanträge sollen nur innerhalb gewisser Zeitspannen möglich sein und alle Interessen sollen nur einmal gehört werden können und nicht immer wieder. Als dritten und letzten Punkt für eine Verfahrensbeschleunigung schlägt Brunner vor, den Stand der Technik einzufrieren. Derzeit müssen Projektwerber mehrfach in einem Verfahren den aktuellen „Stand der Technik“ nachweisen. „Das ist unsinnig.“ Es sollte die Festlegung auf „Stand der Technik“ zum Zeitpunkt der Antragstellung eingefroren werden, so Brunner.

„Wer Ja zu Klimaschutz und Energiewende sagt, muss Ja zu schnelleren Genehmigungsverfahren sagen. Wer am Freitag für mehr Klimaschutz demonstriert, muss am Montag auch die notwendigen Projekte unterstützen.“ Er wünsche sich mehr „Praxisnähe“ in der Klimapolitik. Es habe in letzter Zeit oft „Alleingänge im stillen Kämmerchen“ gegeben, so der Staatssekretär in Richtung Klimaschutzministerin Gewessler. Was die von Gewessler angestoßenen Evaluierungen von Straßenbauprojekten betrifft, zeigt Brunner wenig Verständnis für die Ministerin. Man müsse alles evaluieren, aber diese Projekte seien schon mehrfach geprüft worden und die „Bevölkerung braucht Sicherheit und Klarheit“.

Auf diese Aussagen reagierten die Grünen „verwundert“. „Der Österreichische Nationalrat hat mit den Stimmen von NEOS, SPÖ, Grünen und ÖVP eine Evaluierung der S18 in Vorarlberg beschlossen. Es ist unerheblich wie viel oder wenig ‚Verständnis‘ der für Luftverkehr zuständige Staatssekretär Brunner im Klimaschutzministerium für diesen Beschluss zeigt. Entscheidend ist das, was im Parlament gemeinsam beschlossen wird“, sagte Lukas Hammer, Klimasprecher der Grünen, in einer Stellungnahme gegenüber der APA.

„Verheerende Überschwemmungen und tödliche Hitzewellen in Europa erinnern uns daran, dass die Klimakrise auch bei uns angekommen ist. Der Kampf gegen die Klimakrise und für den Erhalt unserer Lebensgrundlagen wird nur gelingen, wenn wir gemeinsam an einem Strang ziehen. Mit einer mutigen und sachlichen Politik statt mit Polemik“, so Hammer.

Kritik an den Vorschlägen Brunners übte die Umweltschutzorganisation WWF. „Anstatt schon wieder auf das Husch-Pfusch-Prinzip zu setzen, muss die Politik endlich ihre Hausaufgaben machen. Denn die größten Verfahrensbremsen sind fehlerhafte Unterlagen der Projektbetreiber, schlecht ausgestattete Behörden und falsch ausgerichtete Materiengesetze. Dadurch entstehen häufig jahrelange Verzögerungen, noch bevor die Öffentlichkeit überhaupt beteiligt wird“, sagt WWF-Naturschutz-Leiter Christoph Walder. Daher brauche es vor allem qualitativ bessere Verfahren und gesetzliche Regelungen, die einen naturverträglichen Umbau des Energiesystems sicherstellen.

Unterstützung für den Vorschlag von Brunner kam von NEOS, aber mit Kritik gewürzt. „Grundsätzlich unterstützen wir Schritte zur Beschleunigung von UVP-Verfahren – allerdings fehlen noch konkrete Vorschläge der Regierung. Die ÖVP soll endlich in die Gänge kommen und nicht nur g’scheit reden“, sagte NEOS-Klima- und Umweltsprecher Michael Bernhard zu Brunners Forderungen.

Das UVP-Gesetz habe „erhebliches Verbesserungspotenzial“, reagierte auch WKÖ-Generalsekretär Karlheinz Kopf erfreut über den Vorstoß Brunners. Die Wirtschaftskammer trete seit langem für raschere Genehmigungsverfahren ein. „Wenn wir Klimaschutz ernst nehmen, führt an einer deutlichen Beschleunigung kein Weg vorbei“, so Kopf. Konkret fordert er, dass die Verfahrensdauer bei Schlüsselprojekten maximal ein Drittel der derzeit üblichen Dauer betragen darf.

APA

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