DIE GEMEINSCHAFTSSTIFTER

16. August 2021

Wie kann man Communitys an der ENERGIEWENDE teilhaben lassen? Zwei Wiener stürzen sich aus einer sicheren Position bei der Wien Energie in ein Start-up, das an der Schnittstelle zwischen grüner Energie und Green Finance liegt.

Mit 45 war Peter Gönitzer das Korsett endgültig zu eng. Nach einer Musterkarriere bei Wien Energie musste er für sich entscheiden, ob er seinen Geschäftsführervertrag beim städtischen Energieversorger um fünf Jahre verlängern wollte – oder ob er einen Sprung ins Ungewisse wagte, mit der Aussicht, tatsächlich innovative Dinge umsetzen zu können. Er entschied sich fürs Risiko und gründete gemeinsam mit Kollegin Lorena Skiljan die Nobile Group. Das Unternehmen hilft bei der Entwicklung von Energiegemeinschaften, wie sie mit dem kurz vor der Sommerpause beschlossenen Erneuerbare-Ausbau-Gesetz (EAG) forciert werden sollen. Die Grundidee: Minikraftwerksbetreiber sind nicht mehr Einzelkämpfer, sondern schließen sich in der Produktion, in der Koordination des Eigenverbrauchs und in der Vermarktung zusammen. „Mit Energiegemeinschaften kann ich Strom nun endlich über die Straße liefern“, so Gönitzer. Einklinken können sich Haushalte und Betriebe, aber auch öffentliche Gebäude, die im Umfeld eines Umspannwerkes liegen.

Näher dran an der Energiewende kann man nicht sein. Bereits im Herbst soll es mit den ersten Gemeinderatsbeschlüssen in Perchtoldsdorf, Baden und Tulbing losgehen. Denn zunächst setzt Nobile stark auf Kommunen, die ihre Gebäude mit Photovoltaikanlagen bespielen. Aber auch Genossenschaften wie den Maschinenring Steyr haben Gönitzer und Skiljan schon im Boot, sogar Seilbahnbetreiber springen auf. Bis zu 5.000 dezentrale Energieselbstversorger mit 50 bis 70 Teilnehmern könnten in den kommenden fünf Jahren entstehen. Damit werden, so hoffen die Gründer, tendenziell mehr und größere PV-Anlagen gebaut, da die Renditen in der Energiegemeinschaft im Vergleich zur Stand-alone-Variante steigen.

„Energiewirtschaftliches Engineering“, nennt Skiljan das Know-how, das Nobile einbringt. Ihr Team tüftelt aus, wie der ideale Mix bei Erzeugern, die zugleich Verbraucher sind, aussehen könnte: Schulen, Privathaushalte und Kleinbetriebe sollen sich in der Energiegemeinschaft aubalancieren. Die Neo-Unternehmerin sieht aber noch größeres Potenzial: Irgendwann werden die Teilnehmer über Blockchain ihre jeweiligen Güter tauschen – und sich lokale Bäcker sein Brot in Sonnenstrom bezahlen lassen. Das würde zur Autonomie von dezentralen Einheiten und zur Stärkung von Dörfern, Grätzeln und Communitys jedweder Art führen, ist sie überzeugt. „Mittelfristig kann so das Gemeinschaftsleben generell gestärkt werden.“

Das Gründerduo tritt nicht nur als Berater auf: Die Nobile Group beteiligt sich, falls gewünscht, auch an den Neo-Gemeinschaften und stellt die Finanzierung auf. Soeben wurde das Unternehmen in das Austrian Green Investment Pioneers Program (AGIPP) aufgenommen, das Unternehmen, Banken und Investoren den Einstieg in grüne Projekte erleichtert. Ziel ist, Finanzierungen zu bündeln und einen Fonds aufzulegen, an dem man sich über Crowdinvest beteiligen kann. „Ein Energiesparbuch“, so Gönitzer.

Fazit nach dem Sprung ins Ungewisse: Das Korsett ist zwar nicht weg, aber schon deutlich lockerer, wenn man an der Schnittstelle zwischen Green Energy und Green Finance tätig ist.

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