Klimawandel-Landkarte: „Treibende und bremsende Kräfte“

25. August 2021, Wien

Eine Klimawandel-Landkarte soll sowohl die Kräfteverteilung der Akteure in Österreich als auch ihre zum Teil äußerst gegensätzlichen Interessen aufzeigen. Ein Ergebnis: der diesbezügliche Wille ist bei der ÖVP ist insgesamt „nicht so groß, wie man vermuten würde“, sagte Katharina Gangl vom Institut für Höhere Studien (IHS) bei der Kartenpräsentation am Mittwoch. Zudem ortete sie eine ideologisch geprägte Diskussion beim Klima.

Die „treibenden und bremsenden Kräfte“, die beim Thema Klimawandel das Sagen haben, wurden von Insight Austria, einem IHS-Kompetenzzentrum, bei den zwei wohl wichtigsten Schritten zur Klimaneutralität analysiert. Es waren dies „Umstieg auf den öffentlichen Verkehr“ und „Umstieg auf erneuerbare Energien“. 89 Experten wurden gebeten, 43 „Player“ aus den vier Segmenten – Staat, Privatwirtschaft, Vereine und NGOs sowie der individuellen Ebene – bezüglich ihrer Macht und ihres Interesses zum Thema einzuschätzen und dazu eine Wertung zwischen 1 und 5 abzugeben. „Stakeholder bewerten Stakeholder“, lautete das Prinzip, erläuterte die Insight Austria-Mitbegründerin und Meinungsforscherin Sophie Karmasin.

Aus der Analyse dieser Bewertungen ergab sich ein Konflikt beim Thema Klimaschutz, bei dem „sich die Lager aufteilen“, so Gangl. Unter Hinweis auf die Regierungsparteien Grüne und ÖVP hielt sie fest, dass man nicht zu dem Punkt komme, wo man echte Schritte machen könne, „so lange nur ideologisch gestritten wird“. Betrachtet man die Positionen der Grünen bei der Öffi-Frage und bei den Erneuerbaren zeige sich jeweils, dass hier das Interesse – 4,67 bzw. 4,71 Punkten bei maximal 5 möglichen – unter allen 43 bewerteten Playern das am stärksten ausgeprägte war.

Bei der ÖVP kamen hier nur 2,31 und 2,61 Punkte zusammen – gemeinsam mit dem Bundesministerium für Finanzen (BMF) wurde die ÖVP als Folge dann auch in der Gruppe „Zweifelnde mit Macht“ verortet. Die Landeshauptleute- bzw. Landesräte kamen zusammen mit den Medien in eine neutrale bzw. indifferente Gruppe. Jedoch gab es einen Unterschied bei der Bewertung von Öffentlichem Verkehr und Umstieg auf Erneuerbaren, auf den Gangl hinwies: Beim Umstieg auf die saubere Energie „ist der Drang etwas zu tun, viel größer – hier seien die Akteure insgesamt williger, etwas zu verändern – „daher wäre das ein Thema, das man in naher Zukunft angehen könnte“, sagte die Verhaltensökonomin.

Zusätzlich zu den beiden Interesse-Macht-Landkarten wurden im Frühjahr 2021 neben den Experten auch 1.000 Personen befragt, warum es ihrer Meinung nach beim Klimaschutz nur schleppend vorangehen würde. Das Ergebnis komplettierte die Analyse der Akteure dahin gehend, dass auch die Bevölkerung beim Klimaschutz eher einen „Wertekonflikt“ als einen „Sachkonflikt“ wahrnahm: „Nicht der Verlust von Arbeitsplätzen oder fehlende finanzielle Mittel“ seien aus Sicht der Bevölkerung die Barrieren zum Klimaschutz, sondern vielmehr fehlendes Wissen oder Information“, erläuterte Karmasin. Das deckt sich durchaus mit der Meinung der Experten, die ebenfalls nicht Sachzwänge als Hindernis sahen, sondern „fehlenden politischen Willen“. Laut Karmasin könne hier jedoch sehr wohl gegengesteuert werden, denn auf „einer Werte- und Bewusstseinsebene kann man sehr wohl Fortschritte erzielen“. Dies geschehe nicht mit einer (CO2-)Steuer. Fakten- und evidenzbasierte Prozesse seien notwendig. „Wir betrachten eine Moderatorenrolle als notwendig“, so Karmasin weiter, denn mit dieser könnten die Pole überwunden werden – Medien, wissenschaftliche Einrichtungen und die Politik auf Landesebene könnten demnach vermittelnd eingreifen.

Denn die Untersuchung der Klimafrage nach verhaltensökonomischen Gesichtspunkten ergab aus Sicht Karmasins, dass dieses Thema weiterhin politisch polarisierend und immer noch ideologisch aufgeladen sei. Und als ebenso wichtigen Punkt, dass die mächtigsten Akteure immer noch nicht restlos davon überzeugt seien, dass der Klimawandel „ernsthaft anzupacken“ wäre. „Vielleicht müsste man sie fragen, warum sie den Klimawandel nicht so Ernstnehmen, wir er aus Sicht der Wissenschaft ist.“

APA