Gewessler: Klimaschutzgesetzentwurf erst „wenn er gut ist“

26. August 2021, Alpbach
Klimaschutzministerin Leonore Gewessler
 - Wien, APA/HERBERT NEUBAUER

Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) will den Entwurf für ein Klimaschutzgesetz erst vorlegen, „wenn er wirksam ist, wenn er gut ist und uns auf den Pfad Richtung Klimaneutralität 2040 bringen kann“. Es gebe „für viele Dinge nur einen Versuch“. Sie könne nicht ein Gesetz liefern, wo man etwas ausprobiere und in zwei, drei, vier Jahren schaue, ob man erfolgreich gewesen sei und dann noch nachbessere, sagte sie am Donnerstag bei den Alpbacher Technologiegesprächen.

Der Entwurf sei intensiv in der Diskussion und werde fertig, aber „zu einem Ergebnis gehören immer mehrere Partner“, sagte Gewessler bei einer Diskussion zum Thema „Die Komplexität der großen Grünen Transformation“. Die Klimaaktivistin Katharina Rogenhofer (Fridays for Future) stellte dabei Fragen an Vertreter der Politik, der Industrie, Finanzwelt und Wissenschaft – denn speziell „Wirtschaft und Politik müssen aufhören, Verantwortung abzuschieben, und sich nur leerer Worte und Versprechen zu bedienen“, so Rogenhofer.

Wann konkret der Entwurf für das Klimaschutzgesetz „gut“ ist, sagte Gewessler nicht, aber die ökosoziale Steuerreform komme 2022. Auch hier seien sich Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) und sie einig, dass diese Reform präsentiert werde, „wenn wir eine gute Lösung haben, für beide Seiten, für die ökologische Lenkungswirkung und für den sozialen Ausgleich“.

Für Komplexitätsforscher Stefan Thurner, Chef des Complexity Science Hub (CSH) Vienna, ist die Lösung des Klimaproblems „simpel“: „Schluss mit fossiler Energie.“ Komplex werde die Sache erst dadurch, dass das Klima ein komplexes Problem sei, das an das komplexe Netzwerk der Wirtschaft und diese letztlich an das allerkomplizierteste komplexe System, die Gesellschaft, gekoppelt sei. Die für die Klimawende notwendigen Verhaltensänderungen würden sozialen Stress produzieren und damit dieser nicht zu groß werde, müssten beide langsam genug vor sich gehen. „Das macht das ganze zu dem großes Drama, denn die Grüne Wende muss schnell gehen.“ Für gesellschaftlichen Wandel habe man keine 50 Jahre mehr, so Thurner.

Angesichts dieses Zeitdrucks zeigte sich der neue Forum Alpbach-Präsident und Ex-Erste Bank-Chef Andreas Treichl verwundert darüber, dass die Bundesregierung hier nicht mehr Druck macht: „Wir haben ja relativ viele 30-Jährige in der Regierung, und gemessen an dem, könnte der Druck, mit dem unsere Umwelt in Ordnung gebracht werden soll, höher sein. Für eine Regierung von lauter 60-Jährigen würde ich sagen: ok, aber für eine Regierung von 30-Jährigen ….“

In den EU-Regeln für grüne Investments („Taxonomie“) sieht Treichl einen „enorm starken Hebel“ für die Klimawende, aber sie würden nicht reichen. Zudem würden sie für die Banken ein Risiko darstellen und hätten Auswirkungen auf ihre Ertragskraft. Beim Thema Taxonomie habe man es auf europäischer Ebene in einem ersten Schritt geschafft, die Dinge klar zu halten, betonte Gewessler, die allerdings im Herbst eine „große Auseinandersetzung“ erwartet, wenn es darum gehe, fossiles Gas als Grün zu deklarieren. Für sie wäre eine solche Verwässerung der Taxonomie ein „absolutes No Go“.

Rudolf Zrost, Geschäftsführer der Baustoffe produzierenden Leube-Gruppe, plädierte dafür, „als Europäer die Welt dazu zu bringen, mitzumachen bei der Dekarbonisierung“. Es habe keinen Sinn, wenn wir nur Europa dekarbonisieren und alle anderen nicht. „Das Klima können wir nur retten, wenn alle mitmachen.“ Es werde nur gehen, wenn Europa als Wettbewerbsführer aus dieser Transformation hervorgehe und die Unternehmen in ihrer Konkurrenzfähigkeit gestärkt würden.

Zudem sieht er am Weg zur Dekarbonisierung das Problem, dass es zu wenig Grüne Energie gebe, sagte Zrost im Hinblick auf das Ziel der Bundesregierung, in Österreich bis 2030 elektrische Energie zu 100 Prozent grün herzustellen. „Das ist sehr schwer zu erreichen, weil wir sind ein übermäßig bürokratisch organisiertes Land und wir haben bei jeder denkbaren Investition immer Gegner.“ Zudem werde unglaublich viel erneuerbare Energie gebraucht, wenn Österreich bis 2040 dekarbonisiert und auf Erneuerbare Energie umgestellt sein soll. Das bedeute nämlich die Umstellung auf elektrische Energie, und die mache heute 20 Prozent der gesamten Energie aus. „Wir müssten also fünf Mal so viel elektrische Energie und das erneuerbar herstellen, damit die derzeitige Wirtschaft funktioniert. Ich sehe nicht, wo wir diese produzieren sollen, schon gar nicht bis 2040“, so Zrost.

Helmut Haberl vom Institut für Soziale Ökologie der Universität für Bodenkultur (Boku) Wien sieht darin ebenfalls ein Problem: „Kohlekraftwerke brauchen Kohle, Umweltkraftwerke brauchen Umwelt – auch die erneuerbaren Energien haben alle möglichen ökologischen Kosten“, so der Wissenschafter. Daher sei der wichtigste und erste Schritt, mit dem Ressourcenverbrauch runterzukommen, und dann zu versuchen, den Bedarf kohlenstoffneutral und klimaneutral zu decken. Benötigt werde dazu eine Menge Technologie, aber das Problem könne nicht an die Ingenieurswissenschaften delegiert werden. Es gehe uns alle an und werde die Gesellschaft massiv verändern.

Dabei wird laut Haberl die Transformation nach wie vor in ihrer Größenordnung unterschätzt. Vergleichbar sei sie mit der Transformation von der Agrar- zur Industriegesellschaft. Zum Einwand Zrosts, dass alle mitmachen müssten, meinte Haberl: „Die Welt wird nicht mitziehen, wenn wir nicht vorleben, dass es hier gute Wege gibt, und da geht es nicht nur um Verzicht, viele dieser Dinge ermöglichen ein besseres Leben.“

APA

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