Beim deutschen Versorger RWE machen sich weitere Investoren für einen schnelleren Abbau des umstrittenen Geschäfts rund um die Braunkohle stark, nachdem der aktivistische Investor Enkraft eine Abtrennung des Bereichs gefordert hatte. „Eine Debatte über die Geschwindigkeit der CO2-Senkung ist zu begrüßen, auch größere strukturelle Veränderungen im Konzern dürfen kein Tabu sein“, sagte Ingo Speich, Leiter des Bereichs Nachhaltigkeit bei der Fondsgesellschaft Deka.
Deka hält nach Refinitiv-Daten rund 0,9 Prozent an RWE. „Wir sehen eine hohe und dringende Notwendigkeit für die Transformation des RWE-Geschäftsmodells hin zu einer deutlichen Senkung des CO2-Profils“, betonte auch Thomas Deser, Fondsmanager bei Union Investment, die nach Refinitiv-Daten rund ein Prozent der RWE-Aktien hält. Zuvor hatte sich der Investor Enkraft, der mit mehr als 500.000 Aktien bei dem Versorger eingestiegen ist, für eine Abtrennung des CO2-lastigen Braunkohle-Geschäfts eingesetzt.
„Das Geschäftsmodell von RWE muss zügig weniger CO2-abhängig werden“, fügte Speich hinzu. Die Diskussion müsse aber mit Augenmaß geführt werden und auch soziale Aspekte umfassen. Tausende Mitarbeiter von RWE sind in Braunkohle-Kraftwerken und -Tagebauen beschäftigt. Deser mahnte, zunächst müsse der Ausgang der Bundestagswahl abgewartet werden, „bevor die künftigen Rahmenbedingungen für eventuell zu treffende Strukturentscheidungen abgeschätzt werden können“.
Das „strategische Festhalten an den (…) Braunkohle-Aktivitäten führt zu einer signifikanten Werteerosion“, hatte der Investor Enkraft in einem Brief an RWE-Chef Markus Krebber geschrieben. Dies sei für die Aktionäre nur schwer akzeptabel. Eine Fokussierung des Versorgers auf die in den letzten Jahren massiv ausgebauten Erneuerbaren Energien würde ein enormes Wertsteigerungspotenzial bei RWE freisetzen. RWE erklärte, der Konzern habe Enkraft wie jedem Investor ein Gespräch über die Geschäftsstrategie angeboten.
Aktivistische Investoren kaufen sich in ein Unternehmen ein, um Strategie- oder Personalwechsel zu forcieren, von denen sie sich eine Wertsteigerung für ihr Investment erhoffen. Durch den Gang an die Öffentlichkeit oder die Überzeugung weiterer Aktionäre können sie aber auch mit kleinen Beteiligungen Druck ausüben.
Der früher stark auf Kohle und Atomstrom ausgerichtete RWE-Konzern wandelt sich derzeit zu einem der größten Ökostromproduzenten Europas. Krebber will das Geschäft allein bis 2022 mit Investitionen von fünf Milliarden Euro ausbauen. Nach dem mit der Bundesregierung vereinbarten Kohleausstieg soll in Deutschland die Verstromung des klimaschädlichen Brennstoffs spätestens 2038 enden. Bis 2030 will RWE insgesamt zwei Drittel der Braunkohle-Kapazität stilllegen. Umweltschützer und auch Investoren hatten immer wieder mehr Tempo von dem Konzern gefordert.
APA/ag