Analyse. Heimische Betriebe werden heuer die Rekordsumme von 302 Millionen Euro für Emissionszertifikate ausgeben. Das Geld fließt an die Republik. Was dann passiert, ist unklar. Höchste Zeit für mehr Transparenz und eine Zweckbindung.
Es ist gar nicht lang her, da bezahlten Unternehmen für das Recht, eine Tonne CO2 in die Luft zu blasen, nicht viel mehr als für eine Pizzaschnitte. Doch die Zeiten sind vorbei. In den letzten Monaten ist der Preis für Europas Verschmutzungsrechte auf gut 60 Euro gestiegen. Das sorgt für Rekordeinnahmen bei den EU-Mitgliedern.
Denn seit 2005 sind alle Kraftwerke und Industriebetriebe in der EU im Rahmen des Emissionshandels verpflichtet, pro ausgestoßener Tonne CO2 ein entsprechendes Zertifikat zuzukaufen. Die Einnahmen aus diesem Emissionshandel landen direkt bei den Nationalstaaten. Was dann damit passiert, unterscheidet sich allerdings deutlich.
Unternehmen wollen Geld zurück
In Österreich spülte der Emissionshandel im ersten Halbjahr um 63 Millionen Euro mehr in die Staatskasse als im Jahr zuvor, zeigen Zahlen aus dem Finanzministerium. Die Einnahmen stiegen so rasant, dass selbst die türkis-grüne Koalition überrascht war und ihre bisherigen Erwartungen nach oben korrigieren musste. Ursprünglich budgetierte die Regierung mit 244 Millionen Euro aus dem Verkauf der Verschmutzungsrechte. Schon das wäre ein kräftiger Sprung im Vergleich zu den Vorjahren. Doch tatsächlich dürfte die Zahl heuer eher bei 302 Millionen Euro zu liegen kommen, prognostiziert der Budgetdienst des Parlaments.
Das weckt Begehrlichkeiten. Denn obwohl die Europäische Union grundsätzlich vorschreibt, dass zumindest die Hälfte der Einnahmen wieder an grüne Projekte wie den Ausbau der erneuerbaren Energien oder die Förderung öffentlicher Verkehrsmittel zurückfließen muss, drückt sich der heimische Finanzminister seit Jahren um eine klare Zweckbindung. Eine Zweckbindung werde „ausdrücklich abgelehnt“, ließ das Ministerium bisher stets wissen. Argumentiert wird mit mangelnder „Wirkungsorientierung“. Sprich: Niemand könne garantieren, dass das zweckgewidmete Geld auch wirklich Emissionen reduziere.
Vertreter der Industrie, Umweltschützer und auch der Koalitionspartner sehen das anders. Die Unternehmen wünschen sich mehr Unterstützung – sprich finanzielle Hilfe – bei der Dekarbonisierung ihres Geschäfts. Die Grünen wären längst bereit, zumindest einen Teil der Gelder direkt für den Ausbau ökologischer Projekte zu verwenden. Auch Heike Lehner, Ökonomin der Agenda Austria, drängt das Land zu „mehr Transparenz“ und einer „klaren Zweckbindung“ der Mittel aus dem Emissionshandel. Länder wie Deutschland sind da übrigens schon weiter: Dort fließen die Einnahmen aus dem Emissionshandel zur Gänze in einen Energie- und Klimafonds der Regierung, aus dem Maßnahmen zum Klimaschutz finanziert werden.
Vermeiden, dass Geld versickert
Die Summen, um die es dabei geht, werden in den nächsten Jahren stark steigen, sind Experten sicher. Einerseits verknappt die EU bei immer strengeren Klimazielen die Zahl der Gratiszertifikate, was den CO2-Preis für die Industrie in die Höhe treiben wird. Andererseits wälzen fast alle europäischen Staaten derzeit Pläne, wie sie auch die Emissionen aus dem Gebäude- und Verkehrssektor mit einem Preis versehen könnten. Auch da sind Länder wie Deutschland oder Schweden Österreich voraus und verlangen Geld für jede privat verbrauchte Tonne CO2.
Österreich muss spätestens im Rahmen der Steuerreform ebenfalls ein Konzept vorlegen, wie es die Emissionen bei Mobilität und Heizen mit einem Preis versehen will. Klar ist, dass es für Unternehmen und Private dadurch teurer werden wird. Deshalb sei die Transparenz auch so wichtig, betont Lehner. „Man muss vermeiden, dass die Bürger denken, dass das Geld, das sie bezahlen, irgendwo im Budget versickert.“ Stattdessen solle eine Hälfte für den Ausbau von grünen Projekten reserviert werden und eine Hälfte direkt an Unternehmen und Bürger retourniert werden.
von Matthias Auer
Die Presse