DIW kritisiert Politik für Abhängigkeit von russischem Gas

24. September 2021, Berlin/Moskau
Teil der Gaspipeline Nord Stream 2 - Lubmin, APA/AFP

Angesichts gestiegener Gaspreise hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) Kritik an der Politik geübt und das Problem als „hausgemacht“ bezeichnet. Deutschland habe sich zu sehr von russischem Gas abhängig gemacht und gleichzeitig die erneuerbaren Energien nicht schnell genug ausgebaut, sagte DIW-Energieexpertin Claudia Kemfert Donnerstag dem Fernsehsender Phoenix.

Kemfert sagte dem Sender, ein schnellerer Ausbau erneuerbarer Energien sei nötig, um sich von Erdgaslieferungen aus Russland unabhängiger zu machen. Dies sei außerdem für die Umsetzung der Klimaschutzziele notwendig. „Der Erdgasbedarf muss tendenziell zurückgehen und je schneller wir im Land die erneuerbaren Energien ausbauen, desto unabhängiger machen wir uns von einer solchen Zwickmühle oder von Konflikten, die da sind“, sagte Kemfert Phoenix.

Auch sie sehe ein klares Interesse auf russischer Seite, Gaslieferungen zu verknappen, um die Inbetriebnahme der Pipeline Nord Stream 2 zu beschleunigen, fuhr die DIW-Expertin fort. „Es wurde gesagt, dass mit Inbetriebnahme von Nord Stream 2 mehr Gas nach Europa fließen könnte“, sagte Kemfert. „Das lässt den Eindruck entstehen, dass man die Preise auf dem europäischen Erdgasmarkt künstlich hoch treiben will, um zumindest den Druck zu erhöhen, dass Nord Stream 2 rasch fertiggestellt wird.“

Die Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock kritisierte Russland für die „sehr zurückhaltenden“ Erdgaslieferungen nach Europa. Baerbock sagte den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland, ein „naheliegender“ Grund für das Vorgehen Russlands sei, dass die Regierung „politischen Druck aufbauen“ wolle, um die ausstehenden Genehmigungen für die Pipeline schneller zu bekommen. Die Leidtragenden dabei seien die Kunden in Deutschland, „deren Gaspreise steigen werden oder die im Extremfall sogar im Kalten sitzen müssen“, sagte Baerbock.

„Dieses Putinsche Spiel zeigt einmal mehr, welchen Bärendienst SPD und Union mit ihrem Einsatz für Nord Stream 2 Deutschland erwiesen haben“, kritisierte die Grünen-Chefin. Die Bundesregierung habe die Pipeline „aller Bedenken, Warnungen und Befürchtungen zum Trotz“ vorangetrieben. Das räche sich nun, denn Deutschland sei „in der Erpressungs-Situation, vor der ausgiebig gewarnt wurde.“

Baerbock forderte ein Signal der Bundesregierung Richtung Moskau: „Das Signal muss sein, dass Russland zu seinen Zusagen stehen muss und über die bestehenden Pipelines wie in der Vergangenheit auch genügend Gas liefert.“ Alles andere wäre „fatal“. Gleichzeitig forderte Baerbock Vorgaben für Minimal-Füllstände der Speicher „beziehungsweise eine nationale Gasreserve analog zur Ölreserve, damit niemand im Winter im Kalten sitzt“.

Mitte September hatte der Sprecher des russischen Präsidenten Wladimir Putin, Dmitri Peskow, gesagt, dass eine zeitnahe Inbetriebnahme der Pipeline helfen könnte, die Gaspreise in Europa abzusenken. Die US-Regierung warnte am Mittwoch vor einer „Manipulation“ der Gaspreise in Europa. Zuvor hatte auch eine Gruppe von über 40 EU-Parlamentsabgeordneten dem russischen Energiekonzern Gazprom in einem Brief vorgeworfen, die Gaspreise vorsätzlich zu manipulieren. Gazprom wies die Vorwürfe zurück.

Eine Sprecherin der deutschen Regierung sagte am Mittwoch, dass Russland nach aktuellem Kenntnisstand seinen Verpflichtungen aus dem geltenden Gastransitvertrag nachgekommen sei.

Die Internationale Energieagentur (IEA) hatte Russland kürzlich aufgefordert, mehr Erdgas nach Europa zu liefern, um dort die aktuelle Knappheit und die damit einhergehende Preissteigerung abzufedern. Der Großhandelspreis für Erdgas hat sich seit Beginn des Jahres mehr als verdreifacht.

APA/ag

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