Auch in den USA sorgt sich die Wirtschaft, dass der Winter die Gaspreise noch weiter in die Höhe schnellen lässt.
Nicht nur in Europa, sondern auch in den USA geht die Angst vor steigenden Energiepreisen im Winter um. Die Industrie fordert bereits, die Exporte von Flüssiggas (LNG) aus Amerika zu drosseln. In einem Brief an die Energieministerin Jennifer Granholm schreibt der Verband der energieverbrauchenden Industrie, Industrial Energy Consumers of America (IECA): „Wir fordern Sie auf, sofort nach dem Erdgasgesetz zu handeln, um eine Angebotskrise und Preisspitzen für die Verbraucher in diesem Winter zu verhindern, indem Sie die Exportquoten für die Flüssiggas-Exporteure senken.“ Damit sollten die US-Lager das Niveau des Fünf-Jahresdurchschnitts erreichen.
Die USA sind zwar weniger abhängig von Importen als die meisten europäischen Länder. Aber die Angst vor einem kalten Winter und hohen Gaspreisen macht auch hier die Runde.
Bei einem Besuch in Polen versicherte US-Ministerin Granholm jedoch, die USA würden mit den europäischen Partnern eng zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass im Winter genügend Gas zur Verfügung stehe. Die gestiegenen Gaspreise hätten ernsthafte Fragen zur Versorgungssicherheit in Europa aufgeworfen. Die USA und Europa müssten sich zur Wehr setzen, wenn energieerzeugende Länder „das Angebot manipulieren, um davon zu profitieren“, sagte Granholm mit Blick auf die Vorwürfe, Russland beliefere Europa absichtlich nicht mit mehr Gas.
Nicht zuletzt dank der umstrittenen Fracking-Technologie haben sich die Vereinigten Staaten in den vergangenen Jahren vom Energie-Importeur zum Energie-Exporteur gewandelt. Sowohl 2019 als auch 2020 konnten die USA ihren Energiebedarf selbst abdecken und waren ein Netto-Energie-Exporteur. Bisher hält sich der Anstieg der Gaspreise in den USA daher im Vergleich zu Europa noch in Grenzen.
Während sich die Gaspreise in Europa dieses Jahr über zwölf Monate mehr als fast vervierfacht haben, haben sie sich in den USA nur verdoppelt. Die höheren Preise in den USA lagen unter anderem an den starken Hurrikanen wie Ida, die die Erdgas- und Ölproduktion teils wochenlang unterbrochen haben, weil die zerstörten Anlagen erst wieder aufgebaut werden mussten.
Nun naht der Winter, und die Lager füllen sich auch in Amerika nicht schnell genug. Laut „Wall Street Journal“ liegt der Vorrat derzeit sieben Prozent unter dem Fünf-Jahresdurchschnitt. Kein Wunder also, dass sich die verarbeitende Industrie Sorgen macht und so viel Erdgas wie möglich im Land behalten will.
Im ersten Halbjahr haben die USA zehn Prozent ihres geförderten Erdgases exportiert. Bevor die USA 2016 ihre Anlagen für den Export ausgebaut haben, lagen die Ausfuhren bei nur einem Prozent. Die US-Industrie hat die Gasexporte stets missbilligt, weil sie fürchtete, dass damit die Energiepreise für die heimische Wirtschaft steigen. In seinem Schreiben fordert der Lobbyverband IECA daher auch, anstehende Genehmigungen für Exportanlagen darauf zu prüfen, „ob sie im Interesse der Allgemeinheit sind“.
„Viele Hersteller können dann nicht mehr im Markt mithalten“
In dem Brief mahnt der Verband, noch höhere Gaspreise könnten schwere Folgen für die Unternehmen haben. „Viele Hersteller können dann nicht mehr am Markt mithalten“, schreibt er. „2008 haben wir gesehen, dass Tausende Industrieanlagen schließen mussten, weil sie nicht mehr profitabel waren“, erinnert er.
Laut S & P Global Platts Analytics sind derzeit „kaum noch bedeutende Hebel übrig, die einen weiteren Preisanstieg dämpfen könnten“. In den USA seien alle Möglichkeiten, von Gas auf Kohle umzustellen, bereits ausgereizt, schreiben die Experten von S & P. „Wegen des anhaltenden Marschs nach oben bei den Flüssiggaspreisen kommt nun Heizöl ins Spiel als nächste Alternative, um die Nachfrage nach Gas zu senken“, heißt es dort. Goldman Sachs weist in einer Studie zur möglichen Umstellung von Gas auf Öl allerdings darauf hin, dass auch die Ölreserven derzeit eher niedrig sind. Der enge Gasmarkt weltweit werde daher zu höheren Ölpreisen führen, wenn die Industrie von Gas auf Öl umstellt.
Theoretisch könnten die US-Energiekonzerne die Förderung hochfahren. Viele haben ihren Aktionären aber versprochen, das nicht so schnell zu tun, um die Margen dank höherer Preise hoch zu halten. Laut Baker Hughes, einer der führenden Erdöl-Service-Gesellschaften der Welt, waren am 10. September 34 Prozent weniger Erdgas-Förderanlagen aktiv als ein Jahr zuvor, schreibt das „Wall Street Journal“.
von Katharina Kort
Handelsblatt