Steuerreform – Schratzenstaller: Lenkungseffekt begrenzt

4. Oktober 2021, Wien

Wifo-Steuerexpertin Margit Schratzenstaller bewertet an der Steuerreform grundsätzlich als positiv, dass 2022 der Einstieg in die CO2-Bepreisung erfolgt. „Man hätte sich aber gewünscht, dass das ein bissl mutiger gewesen wäre, sowohl was den Einstiegspreis anbelangt als auch den Zielpreis“, sagte Schratzenstaller am Sonntagnachmittag zur APA. So werde der gewünschte Lenkungseffekt „relativ begrenzt bleiben“.

„Es ist gut, dass es einen mittelfristigen Pfad mit jährlich steigenden Preisen gibt, das schafft Verlässlichkeit für die Unternehmen“, sagte die Wifo-Ökonomin. „Der Preis muss auch steigen, angesichts der klimapolitischen Notwendigkeiten.“ Gut sei auch, dass die CO2-Bepreisung aufkommensneutral sei und dass die einkommensschwächeren Haushalte überdurchschnittlich entlastet würden.

Die regionale Differenzierung beim Klimabonus „müsste man wahrscheinlich regelmäßig überprüfen“, weil der öffentliche Verkehr mittelfristig besser ausgebaut werde „und es zunehmend Haushalte gibt, wo man diese Prämie dann zurückführen kann“. Dass manche Steuerzahler ihren Hauptwohnsitz verlegen könnten, um sich einen höheren Klimabonus zu sichern, glaubt Schratzenstaller nicht. „Der Anreiz ist mit maximal 200 Euro im Jahr zu gering.“

Der jetzt festgelegte Einstiegspreis für CO2-Emissionen von 30 Euro pro Tonne werde Benzin nur um 7 Cent pro Liter verteuern und Diesel um 8 Cent, sagte Schratzenstaller. „Deswegen hätte man sich einen höheren Einstiegspreis gewünscht. Der Lenkungseffekt wird wahrscheinlich gerade zu Beginn mit diesem geringen Preis relativ begrenzt bleiben.“ Deswegen sei es auch wichtig, dass der Preis ansteigt, um nennenswerte Lenkungseffekte entfalten zu können. Neben der CO2-Bepreisung seien nun auch begleitende Maßnahmen nötig, etwa der Ausbau des öffentlichen Verkehrs.

Die Senkung der Körperschaftsteuer um zwei Prozentpunkte bis 2024 sei ein Kompromiss. „Die eine Seite der Koalition wollte vier Prozentpunkte Senkung, die andere wollte gar keine, und man hat sich in der Mitte getroffen. Aus Sicht der Strukturdefizite, die man im österreichischen Abgabensystem hat, wäre die Körperschaftsteuersenkung überhaupt nicht prioritär gewesen, sondern es wäre eher prioritär gewesen, dass man die Lohnnebenkosten senkt.“

Auch die Entlastung des Faktors Arbeit auf der Arbeitnehmerseite durch eine Lohnsteuersenkung und eine Reduktion der Krankenversicherungsbeiträge im unteren Einkommensbereich sei gut, sagte Schratzenstaller. Die Steuersenkung betreffe nicht in erster Linie den unteren Einkommensbereich, sondern die mittleren und höheren Einkommen. „Das ist natürlich zur Kompensation der kalten Progression in den letzten Jahren auch nachvollziehbar, dass man das gemacht hat.“

Der nächste sehr dringende Schritt wäre nun die Sicherstellung der fiskalischen Nachhaltigkeit. Es gebe großen Investitionsbedarf in wichtigen Zukunftsbereichen, von der Digitalisierung über die Bildung, die Kinderbetreuung bis hin zum Klimaschutz und Ausbau des öffentlichen Verkehrs. Um das mit den Verschuldungszielen vereinbar zu machen, müsse man nun die notwendigen Strukturreformen im öffentlichen Sektor auf den Weg bringen. „Das sind die Baustellen, die eh allgemein bekannt sind, das ist der Föderalismus, das ist das Fördersystem, wir müssen schauen, dass wir das effektive Pensionsantrittsalter erhöhen.“ Außerdem müsse man die Schulen und den Gesundheitsbereich effizienter gestalten. Ohne diese Reformen seien die Entlastungen auf Dauer budgetär nicht verkraftbar.

Kurzfristige Ausgabenkürzungen seien nicht notwendig, sagte Schratzenstaller. „In den nächsten Jahren sinkt die Schuldenquote quasi automatisch“, weil die Wirtschaft kräftig wachse. Es werde erwartet, dass die Verschuldung bis 2025 wieder in Richtung 75 Prozent des BIP zurückgehe und die Zinsen seien immer noch niedrig. „Aber das wird mittelfristig nicht so bleiben, weil wir den Druck von den demographieabhängigen Ausgaben und bei den Zukunftsinvestitionen noch Bedarf haben. Darum muss man die Strukturreformen jetzt unmittelbar angehen, weil die brauchen auch alle eine Zeit, bis sie wirken.“

APA