Grüner „Klima-Präsident“ fordert alte Parteieliten heraus

5. Oktober 2021, Frankreich

EU-Mandatar führt Öko-Partei 2022 ins Rennen um den Élysée-Palast

Am Ende war es knapper, als Yannick Jadot sich das wohlgewünscht hatte, aber sein Ziel hat er erreicht: Der 53-jährige EU-Abgeordnete tritt bei derPräsidentschaftswahl 2022 als Kandidat für die französische Grünen-Partei „Europa-Ökologie – Die Grünen“ (EELV) an. Mit 51,03 Prozent setzte er sich in der zweiten Runde der Vorwahl gegen die Wirtschaftswissenschaftlerin Sandrine Rousseau durch, die sich selbst als „radikal“ und „Öko-Feministin“ beschreibt.
Jadot beschwor dagegen eine „lösungsorientierte Ökologie“, die sich der Wirtschaft nicht verschließe. Dass die
bis vor Kurzem unbekannte Rousseau ihm so gefährlich werden konnte, lässt sich auch als Misstrauensvotum eines Teils der 122.000 Wählenden lesen. Denn Jadot gilt als „Realo“. Manche Parteikollegen nennen ihn sogar einen „deutschen Grünen“, was nicht als Kompliment gemeint ist: zu linientreu, zu kompromissbereit.


Erfolgreich bei EU-Wahl
Diesem Vorwurf widerspricht er und verweist auf seine früheren humanitären Einsätze in verschiedenen Ländern und seine Jahre bei Greenpeace, wo er für eine Aktion verurteilt wurde. Dabei drang er mit einem Team in eine Militärbasis in der Bretagne ein, in der Langstreckenraketen mit nuklearen Sprengköpfe gelagert wurden. Seit 2009 sitzt Jadot nun im EU-Parlament und ist dort Vizepräsident der Kommission für internationalen Handel.


Spätestens seit seiner Kampagne für die Europa-Wahlen 2019, bei denen die EELV 13,5 Prozent der Stimmen holte, gilt der groß gewachsene Politiker in Frankreich als Gesicht der Grünen, ohne Parteichef zu sein. Er tritt häufig in den Medien auf und steht zu seiner Ambition, Regierungsverantwortung übernehmen zu wollen.


Bei den jüngsten regionalen und kommunalen Wahlen legte die Partei gewaltig zu. Sie stellt in mehreren Städten wie Lyon, Bordeaux und Straßburg die Bürgermeister und regiert in Paris und Marseille mit. Dass auch auf nationaler Ebene die Zeit der Grünen gekommen sei, daran glaubt Jadot. Er wolle ein „Klima-Präsident“ sein, sagte er nach seiner Kür: „Wir werden die ganze Politik, jeden Euro auf das Klima abstimmen.“


Sein Programm sieht das Streichen öffentlicher Gelder für Unternehmen vor, die mit fossilen Energien arbeiten, und einen „verantwortungsbewussten“ Atomausstieg in 15 bis 20 Jahren. Die Mehrwertsteuer auf Bio- und regionale Produkte will er abschaffen und ein jährliches Investitionspaket von 50 Milliarden Euro für den Wiederaufbau der Wirtschaft, die thermische Sanierung von Wohnungen und die Förderung erneuerbarer Energien schnüren. Wie er das finanzieren möchte, hat er noch nicht gesagt.

Mies in Umfragen
Bereits bei der vergangenen Präsidentschaftswahl 2017 konnte sich Jadot als Kandidat seiner Partei durchsetzen, doch angesichts schwacher Zustimmungswerte reihte er sich hinter dem sozialistischen Bewerber Benoît Hamon ein, der letztlich nur 6,4 Prozent der Stimmen holte.


Dieses Mal sind die Grünen selbstbewusster, doch in Umfragen liegt Jadot mit 6 bis 7 Prozent in etwa gleichauf mit der sozialistischen Kandidatin, der Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo. Auch der Linkspopulist Jean-Luc Mélenchon liegt derzeit nur bei 8 Prozent. Gelingt es dem linken und grünen Lager nicht, sich zu verbünden, erscheinen die Chancen, sich für die zweite Runde zu qualifizieren, sehr gering. Dann werden es wohl Präsident Emmanuel Macron sowie Rechtsaußen Marine Le Pen dorthin schaffen.

Kurier