Strahlende Alternative

3. November 2021

Um das Ziel der CO 2 -Neutralität zu erreichen, setzen immer mehr Länder auf ATOMKRAFT. Modernere und kleinere Reaktoren sollen die umstrittene Technologie sicherer und leichter anwendbar machen.

Seit dem verbreiteten kommerziellen Einsatz der Kernenergie zur Erzeugung von Elektrizität kommt es etwa alle zehn bis 25 Jahre zu schweren Atom unfällen: 1979 Three Mile Island (USA), 1986 Tschernobyl (Sowjetunion), 2011 Fukushima (Japan). Es war Fukushima, das die Kritik an Kernkraftwerken weltweit laut werden ließ. Deutschland beschloss den Ausstieg aus Atomenergie, auch Emmanuel Macron spielte 2017 nach seiner Wahl zum französischen Staatspräsidenten publikumswirksam mit dem Gedanken eines Atomausstiegs.

Doch es sind ausgerechnet Sorgen um die Umwelt, die derzeit zu einer Renaissance der Atomenergie führen. Um die sich abzeichnende Klimakatastrophe durch die vom CO2-Ausstoß verursachte Erderwärmung abzuwenden, setzen immer mehr Staaten wieder auf die ( weitgehend) CO2-neutrale Atomenergie als „strahlende Alternative“ zu fossilen Energieträgern.

Verbesserte Reaktortechnologien und – wie im Fall Frankreichs -„Kleinatomkraftwerke“ sollen dazu beitragen, Reaktorunfälle, wie sie sich in der Vergangenheit ereigneten, zu verhindern. Tatsache ist: Derzeit großzügig geförderten alternativen Energiequellen wie Windkraft und Sonnenenergie mangelt es an Grundlastfähigkeit, einer unabdingbaren Voraussetzung für ein stabiles Stromnetz.

Einer der stärksten Befürworter der Rückbesinnung auf die Kernenergie in Europa ist der französische EU-Industriekommissar Thierry Breton. „Es gibt keinen Weg, das Klimaziel 2050 (kein Nettoausstoß von Treibhausgasen, Anm.) ohne Kernkraft zu erreichen. Keinen einzigen. Wer etwas anderes sagt, hat nicht recht“, erklärte Europas oberster Industriepolitiker unlängst in Brüssel vor allem mit Blickrichtung Deutschland. Gehör hat er schon gefunden: Nicht nur Frankreich, das derzeit rund 70 Prozent seiner Stromerzeugung aus Kernkraftwerken bezieht und dessen Versorger Électricité de France zu den größten AKW-Betreibern der Welt zählt, hat Ausbaupläne: In Tschechien und Polen befinden sich AKWs in Planungsphasen, auch zahlreiche andere Länder planen derzeit den Bau neuer AKWs (siehe Grafik). Das ambitionierteste Programm hat China, das darin einen Ausweg aus der keineswegs bloß bevorstehenden, sondern bereits akuten Umweltkatastrophe sieht.

MEINUNGSUMSCHWUNG. Ehrgeizige Ausbaupläne melden auch Indien, Korea und die Vereinigten Arabischen Emirate sowie die Türkei. Selbst im „Atomausstiegsland“ Schweden ist nach dem vergangenen harten Winter, der dem Land seine Energieknappheit ins Bewusstsein rief, die Debatte um eine Verschiebung des Ausstiegs neu entflammt. Derzeit kommen rund 30 Prozent des schwedischen Stroms aus Kernkraft. Doch das Land will bis 2040 aus fossiler Energieerzeugung aussteigen, und nach dem Winter 2020/21 mit seiner Stromknappheit denken immer mehr Schweden darüber nach, ob dies ohne neue Kernkraftwerke möglich sei. Jedenfalls erhielt die Königlich Technische Hochschule in Stockholm gemeinsam mit zwei privaten Unternehmen unlängst einige staatliche Fördermillionen, um kleine Atomkraftwerke zu entwickeln. Laut jüngsten Umfragen sind 40 Prozent der Schweden für den Bau neuer AKWs. Johan Rockström, prominenter schwedischer Klima-und Resilienzforscher und einer der weltweit meistzitierten Wissenschaftler, bringt das Problem auf den Punkt: „Ich gehe davon aus, dass die Bedrohung durch den Klimawandel größer ist als die Gefahren der Kernenergie.“

Gegenläufig zu den Ausbauprogrammen verhält sich die Förderung. Wurden 2016 noch 162 Millionen Pfund Uran gefördert, so waren es 2020 nur noch 118 Millionen. Gleichzeitig verliert die Sekundärversorgung an Bedeutung. Stammten 2006 noch 37 Prozent des benötigen Urans aus Waffen, die im Zuge von Abrüstungsprogrammen entsorgt werden mussten, so sind es derzeit gerade noch drei Prozent. „Die Versorgungslücke beträgt derzeit rund 50 Millionen Pfund jährlich“, weiß Christian Schärer, Manager des von Incrementum aufgelegten Uranium Resources Fund.
Am Preis des Rohstoffs ist die sich abzeichnende Verknappung bereits deutlich abzulesen: Nach einer Phase sinkender und stagnierender Notierungen verteuerte sich Uran in den vergangenen Monaten deutlich. Innerhalb eines Jahres verdoppelte sich der Preis des strahlenden Metalls und hält derzeit bei 45 Dollar je Pfund.

Diese Preissteigerungen betreffen freilich nur die an der Börse gehandelten Mengen. Da die AKW-Betreiber langfristige Lieferverträge zu fixen Preisen abgeschlossen haben, kommt es vonseiten der Energieversorger -unter anderem des französischen Energieriesen Électricité de France und des schwedische Vattenfall-Konzerns -erst zu geringen Käufen über die Börse. Doch bis 2025 laufen zahlreiche dieser Verträge aus, dann sind 75 Prozent des zur Energieerzeugung benötigten Urans nicht mehr vertraglich abgesichert. Davon können die großen Uranförderunternehmen profitieren.
Die Aktie eines der weltweit größten Uranproduzenten, des kanadischen Bergbauunternehmens Cameco (ISIN: CA13321L1085), kletterte binnen Jahresfrist von acht auf über 22 Euro. Cameco fördert nicht nur Uranerz, sondern betreibt auch in Ontario eine Raffinerie und ein Konversionswerk.

Mit einem Marktanteil von knapp einem Viertel dürfte NAC Kazatomprom (ISIN: US63253R2013) der größte Uranproduzent der Welt sein. Kasachstan, der Sitz des in New York notierten Unternehmens, ist mit rund 40 Prozent der weltweiten Förderung der wichtigste Lieferant von Uran.

In Kanada fördert Denison Mines (CA2483561072) Uranerz und hat vor einigen Jahren in die Bereiche Kohle und Kali diversifiziert. 15 Prozent der Aktien hält der koreanische Energiekonzern KEPCO.
Uranium Energy (ISIN: US9168961038) zählt zu den kleineren und spekulativeren Unternehmen der Branche. Im Zuge des Preisverfalls in den 2010er-Jahren wurde die Produktion zurückgefahren, Das Unternehmen handelt jetzt mit Uran, kann aber jederzeit wieder starten.

Der Uranium Resources Fund (ISIN: LI0224072749) investiert breit gestreut in Unternehmen, die in den Bereichen Exploration, Förderung, Verarbeitung, Anreicherung und Entsorgung von Uran tätig sind. Ein professionelles Management wählt die chancenreichsten Papiere der Branche aus.

Anleger sollten bei einem Investment in Uran-Aktien allerdings die Risiken nicht aus den Augen verlieren. Noch erzielen zahlreiche Fördergesellschaften keinen Gewinn – dieser sprudelt erst, wenn die Notierungen über 50 Dollar je Pfund klettern. Sollte es wieder einmal zu einem größeren Unfall kommen, dreht sich die Stimmung sehr rasch. Ungelöst ist auch nach wie vor das Problem der Endlagerung der Brennstäbe. Und wenn irgendwann eine billige und leistungsfähige Speichermöglichkeit für Strom aus Wind- und Sonnenenergie gefunden wird, wäre dies ebenfalls ein Rückschlag für die Atomkraft.

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