Die Ölpreis-Rally wird zum geopolitischen Streitfall. Die Opec ignoriert US-Forderungen und bleibt bei ihrer Förderpolitik.
Die Allianz der Ölexporteure Opec plus hat Forderungen nach einer höheren Ölproduktion ignoriert. Bei einem virtuellen Gipfeltreffen am Donnerstag entschieden die Energieminister der 23 Opec-plus-Mitglieder um Saudi-Arabien und Russland, die Ölproduktion um 400.000 Barrel pro Tag anzuheben, wie die Opec mitteilte. Das entspricht rund 0,4 Prozent der weltweiten Ölproduktion.
Eine Erhöhung des Angebots um 600.000 oder 800.000 Barrel pro Tag sei kein Thema gewesen, hieß es weiter. Die Ölpreise legten daraufhin zwischenzeitlich um rund 2,5 Prozent zu. Der Preis für europäisches Brent-Öl lag bei rund 83 Dollar pro Barrel (rund 159 Liter). Innerhalb von zwölf Monaten hat sich Öl in Europa um knapp 100 Prozent verteuert.
US-Präsident Joe Biden hatte die Opec am Rande seines Besuchs auf dem Weltklimagipfel in Glasgow für steigende Benzinpreise verantwortlich gemacht. Benzin und Diesel seien teurer „wegen der Weigerung von Russland oder der Opec, mehr Öl zu fördern“. Wenige Tage zuvor hatte die US-Energieministerin Jennifer Granholm die Opec ein „Kartell“ genannt, eine Bezeichnung, die die Energieminister der Opec gar nicht gerne hören.
Trotz des steigenden Drucks von außen bleibt die Opec-plus-Allianz bei ihrer konservativen Förderpolitik. In der Coronakrise war der Ölpreis extrem eingebrochen, auch weil sich Saudi-Arabien und Russland kurzzeitig einen Preiskampf lieferten. Um den Ölpreis zu stabilisieren, einigte sich die Allianz im Sommer 2020 darauf, zehn Prozent der weltweiten Ölproduktion auf einen Schlag vom Markt zu nehmen.
Energieminister unbeeindruckt
Seit Jahresbeginn wickelt die Opec diese historisch einmalige Produktionskürzung ab und bringt schrittweise mehr Öl auf den Markt. Doch obwohl die Ölnachfrage Analysten zufolge das Vorkrisenniveau beinahe wieder erreicht hat, halten die Opec-plus-Staaten weiterhin rund fünf Prozent des weltweiten Ölangebots zurück.
In den vergangenen Wochen hatten Verwerfungen am Gasmarkt sowie Knappheiten bei Kohle die Ölnachfrage zusätzlich verstärkt, weil Kraftwerke für die Stromproduktion von Gas oder Kohle auf Öl umschwenkten. Doch die Opec-Energieminister zeigten sich bereits bei der vorangegangenen Sitzung Anfang Oktober davon unbeeindruckt. Im Vorfeld des November-Gipfeltreffens hatten daher die USA den Druck auf die Allianz der Ölexportländer nochmals erhöht. Die USA fürchten, dass die Ölpreisrally die Inflation weiter anheizt und damit der Popularität von Präsident Biden weiter schadet.
Allerdings sind die Probleme teilweise hausgemacht: Die US-Schieferölindustrie, über Jahre der Hauptkonkurrent der Opec-Produzenten, kommt nicht in Gang. Die Zahl der neuen Bohrungen in den USA liegt Daten des Ölausrüsters Baker Hughes zufolge bei 544. Sie sind ein Signal für das Wachstum des Ölangebots in den USA. Zum Vergleich: Im Herbst 2018, als die US-Ölpreise auf einem ähnlich hohen Niveau notierten, waren es doppelt so viele aktive Bohrungen. Statt auf rasantes Wachstum fokussieren sich viele US-Ölproduzenten derzeit auf Schuldenabbau und Rendite für ihre Investoren.
Allerdings blieben auch die Opec-Staaten zuletzt hinter ihren festgelegten Produktionsquoten zurück. Daten des Analysehauses S & P Platts zufolge produzierten die 22 Mitgliedstaaten der erweiterten Opec-plus-Allianz im September durchschnittlich 40,7 Millionen Barrel Öl pro Tag – das entspricht etwas mehr als 40 Prozent der globalen Ölproduktion. Es sind jedoch rund 500.000 Barrel pro Tag weniger, als der für September geltende Opec-Deal vorsah.
Das knappe Ölangebot hatte zusammen mit einer stetig wachsenden Nachfrage die Ölpreisrally befeuert. Daher hatten auch andere wichtige Ölimporteure, etwa Indien, die Opec-Staaten aufgefordert, mehr zu produzieren. Erst unmittelbar vor dem Opec-Treffen hatte sich die Lage am Ölmarkt etwas entspannt: Steigende Lagerbestände in den USA drückten den US-Ölpreis am Mittwoch zeitweise um fünf Prozent unter die Marke von 80 Dollar pro Fass. Offen ist nun, wie die USA auf die Weigerung der Opec, reagieren: Helima Croft, Rohstoffexpertin bei RBC Capital Markets, hält es für möglich, dass US-Präsident Biden die strategische Reserve des Landes anzapft.
von Jakob Blume
Handelsblatt