Zwischen Hilflosigkeit und Kohleabbau

9. November 2021

Afrika ist vom Klimawandel schwer betroffen, aber abhängig davon, was die Industrienationen unternehmen. Gleichzeitig setzen viele afrikanische Länder auf fossile Energieträger.


Wie verheerend die Auswirkungen des Klimawandels sein können, das bekommt Madagaskar gerade zu spüren. Dort wütet eine verheerende Hungersnot, und ausgelöst hat diese der Klimawandel, berichtete am Donnerstag die UNO. Denn verantwortlich für die Katastrophe sei die schlimmste Dürre auf der südostafrikanischen Insel seit rund 40 Jahren. Fast 30.000 Menschen in dem Land leiden laut dem Welternährungsprogramm Hunger, 1,3 Millionen weitere sind demnach von akuter Ernährungsunsicherheit betroffen. WFP-Direktor Arduino Mangoni bezeichnete die Situation in Madagaskar als „alarmierend“ und „herzzerreißend“.


Er betonte zudem, dass die Hungerskrise in Madagaskar die derzeit einzige sei, die direkt auf den Klimawandel zurückzuführen sei – bei anderen wie im Südsudan sei der Krieg Hauptverursacher. Angesichts der derzeitigen Klima-„Trends“ sei aber zu befürchten, dass „in den kommenden Monaten und Jahren“ vergleichbare Hungersnöte wie in Madagaskar entstünden.


Appelle, aber kein Druckmittel
Madagaskar ist das drastischstes Beispiel dafür, wie sehr Afrika vom Klimawandel betroffen ist, den es kaum selbst verursacht. Der Kontinent ist gerade einmal für rund vier Prozent des weltweiten CO₂ -Ausstoßes verantwortlich und der ökologische Fußabdruck eines abgelegenen afrikanischen Dorfes ist geringer als der eines einzelnen Durchschnittseuropäers. Gleichzeitig breiten sich die Wüsten immer weiter aus, werden Wetterphänomene extremer. Auf Dürren folgen heftige Niederschläge, die ganze Landstriche überschwemmen.

Somit ist Afrika beim COP26-Klimagipfel in Glasgow, der derzeit stattfindet, in einer etwas hilflosen Rolle: Die afrikanischen Staaten können zwar Appelle an die Industrienationen richten, ihre Emissionen zu begrenzen. Wirkliche Einflussmöglichkeiten oder gar Druckmittel besitzen sie aber nicht.


Allerdings ist es nicht so, dass Afrika nur hilfloser Zuschauer und nicht auch Akteur wäre. Das zeigt sich bei einem Blick darauf, wie Energie gewonnen wird – was beim Glasgower Gipfel am Donnerstag Hauptthema war. Viele afrikanische Staaten setzen auf fossile Energieträger – sei es Öl, Gas oder Kohle.


Besonders der enorm umweltschädliche Kohleabbau stand bei den Klimagesprächen im Mittelpunkt. Südafrika wird nun mit Indien, Indonesien und den Philippinen einer der ersten Empfänger eines milliardenschweren Programms für den Umstieg von Kohle auf grüne Energie sein.„Ich denke, wir können heute sagen, dass das Ende von Kohle in Sicht ist“, sagte der Vorsitzende des UNO-Treffens, der frühere britische Energieminister Alok Sharma.
Allerdings ist gerade Südafrika ein Beispiel dafür, wie weit der Weg dorthin noch ist. Das Land bezieht rund 80 Prozent seines Stroms aus Kohle. Damit schafft sich das Land zwar einerseits selbst seine Umweltprobleme, andererseits sorgt die Kohleindustrie für rund 400.000 Arbeitsplätze. Aufgrund dieser großen Abhängigkeit warnen auch viele Stimmen vor einem zu schnellem Ausstieg. Dann könnten die Südafrikaner „frische Luft in der Dunkelheit“ atmen, sagte Gwede Mantashe, der Minister für Bergbau und Energie. Auch andere Länder Afrikas sind von Kohle abhängig – in Botswana etwa sorgt sie für die gesamte Stromversorgung.


Haushalte ohne Strom
Auch in Afrika gibt es eine „Fridays For Future“-Bewegung und eine lebendige Szene von Umweltaktivisten. Doch für viele Politiker und Bürger ist es wichtiger, dass es überhaupt Strom gibt, als, wie dieser erzeugt wird. So kosten die Stromausfälle die Wirtschaft jedes Jahr Milliarden und noch immer müssen Schätzungen zufolge rund 600 Millionen Menschen in Haushalten ohne Strom leben.

Angesichts dieser Herausforderungen wollen viele Politiker nicht auf fossile Energieträger verzichten – zumal diese reichlich vorhanden sind. Mit dem Export von Öl und Gas lässt sich zudem viel Geld verdienen. Uganda und Tansania haben gerade mit dem französischen Konzern Total und der China Offshore Oil Corporation einen Vertrag zum Bau einer Pipeline unterschrieben, um den internationalen Markt mit neu erschlossenem Öl zu versorgen.
Es ist aber nicht so, dass sich afrikanische Staaten alternativen Energieträgern verschließen würden. Vor allem in der Solarenergie hätte der Kontinent mit seinen vielen Sonnentagen auch beste Voraussetzungen. Weil die Kosten für Solarpanele stark gesunken sind, werden diese auch zusehends installiert. Sie finden etwa in abgelegnen Dörfern ohne Anschluss ans Stromnetz Verwendung und ersetzen nun immer öfter das Summen der Dieselmotoren, das eine Grundmelodie des Kontinents ist.


Für eine großflächige Stromversorgung mit alternativen Energiequellen fehlt aber die Infrastruktur, es mangelt etwa an Speicherkapazitäten. Und hier erwarten sich afrikanische Länder für Investitionen mehr Hilfe von den Industrienationen. Doch diese bleiben hinter ihren Versprechungen zurück. So sollen die eigentlich ab 2020 versprochenen 100 Milliarden Dollar pro Jahr erst 2023 in vollem Ausmaß an die Entwicklungsländer fließen. / (klh/reu/apa)
Südafrika schafft sich mit seinem Kohlegürtel seine Umweltprobleme auch selbst.

Wiener Zeitung