Ein mühsamer Endspurt zeichnet sich am Freitagnachmittag auf dem UN-Klimagipfel in Glasgow ab: Während COP-Präsident Alok Sharma den „We can“-Geist, ein „Wir können“, für die Verhandlungen beschwört sind am offiziellen Schlusstag anderswo hunderte Delegierte protestierend durch das Tagungsgebäude gezogen, um „Klimagerechtigkeit“ zu fordern. Weitere Proteste sollen noch über die Bühne gehen. Russlands Delegation forderte indes Bewegung bei den Emissionszertifikaten.
Hier geht es um den Artikel 6, dem Teil des „Rulebooks“ zum Pariser Klimaschutzabkommen, den die österreichische Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) für die EU auf der COP26 verhandelt und der die Regeln für die Regulierung der globalen Märkte für Emissionszertifikate festlegen soll. „Die aktuelle Version des Textes zu den Markt- und Nicht-Marktmechanismen von Artikel 6 erfordert eine zusätzliche Ausarbeitung“, sagte ein Vertreter der russischen Delegation auf dem Gipfel. Besonders eine Lösung, mit der alte Kredite, die im Rahmen des Kyoto-Protokolls festgelegt wurden, auf die neuen „Pariser Märkte“ übertragen und dort angerechnet werden können, soll im Interesse Russlands gewesen sein. Dies widerspricht wiederum den Vorstellungen der EU und von Gewessler, die hier wissen ließ, dass bei Zertifikaten aus der „Kyoto-Periode“eine „vollständige Überführung“ in die „Paris-Periode“ ausgeschlossen sei.
EU-Klimachef Frans Timmermans forderte hingegen, der UN-Klimagipfel sollte ein klares Signal setzen, indem er die Subventionen für fossile Brennstoffe stoppt. „Wir müssen sicherstellen, dass die großen Emittenten ihre Emissionen reduzieren, damit wir 1,5-Grad-Ziel am Leben erhalten. Das muss heute im Mittelpunkt unserer Schlussfolgerungen stehen“, fügte er unter dem Applaus vieler Zuhörenden hinzu. COP-Präsident Sharma rief die Delegierten auf den letzten Metern des Gipfels erneut zu Eile und Kompromisswillen auf: „Wir brauchen einen letzten Schuss ‚We can‘-Geist“, sagte Sharma.
Zuvor hatte ein neuer Entwurf für die Abschlusserklärung für Empörung bei Umweltschützern gesorgt. Darin wurden Forderungen aus einer früheren Fassung wie ein beschleunigter Kohleausstieg und ein Ende der Subventionen für fossile Energieträger deutlich verwässert. In der am Freitag veröffentlichten Rahmenentscheidung der COP26 wurde auch der Aufruf an die Staaten eingeschränkt, ihre Klimaschutzziele öfter als bisher vorgesehen zu überprüfen. Umwelt-NGOs kritisierten, in den Beschlusstexten fehlten noch einige „entscheidende Elemente“. „Trotz jahrzehntelanger Verhandlungen rasen wir nach wie vor auf eine 2,4 Grad heißere Welt zu. Das ist ein Vertragsbruch“, sagte Jasmin Duregger von Greenpeace Österreich. In der aktuellen Abschlusserklärung sehe man ganz klar, „dass die Öl- und Gas-Lobby ihre Finger im Spiel hatte. Der Text über das Ende der fossilen Energien ist zwar noch vorhanden, wurde jedoch massiv abgeschwächt.“
Enthalten blieb der Aufruf an die Staaten, ihre nationalen Klimaschutzziele (NDCs) öfter als bisher im Pariser Abkommen vorgesehen zu überprüfen. Bereits bis kommendes Jahr sollen sie demnach ihre NDCs auf den Prüfstand stellen – drei Jahre früher als geplant. Dabei wurde in der überarbeiteten Textfassung allerdings eingefügt, dass dabei jeweils „die besonderen nationalen Umstände“ zu berücksichtigen seien.
Überwiegend positiv wurde eine Vereinbarung am Rande der Konferenz zwischen China und dem zweitgrößten Klimasünder USA aufgenommen. Die beiden in vielen Fragen zerstrittenen Wirtschaftsrivalen schlossen überraschend einen Pakt zur Reduzierung von Methan-Emissionen, den Schutz von Wäldern und einen Kohle-Ausstieg. 2025 wolle man zudem neue Klimaziele für die Zeit bis 2035 bekanntgeben. Inhaltlich gilt dies zwar als zu wenig konkret und unzureichend. Dass die Rivalen aber zusammenarbeiten wollen, gilt als gutes Zeichen.
APA/dpa/Reuters