Starker Gegenwind in Rumänien

16. November 2021


Windkraft. Investoren für erneuerbare Energie angelockt, dann Förderungen reduziert: Kelag klagt jetzt Schaden vor dem internationalem Schiedsgericht in Washington ein

„Wir haben die Investoren ins Land geholt und dann hat sie die Regierung über den Tisch gezogen. Wenn man will, dass Ausländer investieren, darf man sie nicht so behandeln“, kritisiert ein rumänischer Politik-Lobbyist den Umgang der Regierung mit internationalen Energie-Unternehmen. Der Kärntner Energieversorger Kelag hat jetzt mit 1. November beim Internationalen Schiedsgericht ICSID in Washington eine Klage gegen Rumänien eingebracht. Das Unternehmen bestätigte einen Bericht des rumänischen Online-Portals Profit.ro.


Rumänien hatte ehrgeizige Ziele mit erneuerbarer Energie und lockte ab 2010 mit äußerst großzügigen Förderungen. Im Gegensatz zu Österreich basiert das rumänische Förder-System auf einem Quotenmodell für Grün-Zertifikate.
Etliche europäische Energieunternehmen, von Großkonzernen bis zu kleinen Erzeugern, investierten in Rumänien, vorwiegend in Fotovoltaik und Windkraft. Darunter auch der Verbundkonzern, Österreichs größter Stromerzeuger, Wien Energie und die Kelag. Die Technologie für Windkraft-Anlagen war damals noch wesentlich teurer als heute, doch mit den Förderungen sollten sich die Windparks gut rechnen.


Die Business-Pläne mit den schönen Renditen zerschlugen sich allerdings rasch. Der internationale Ansturm auf erneuerbare Projekte war derart groß, dass die rumänische Regierung bald die Reißleine zog. Die Zertifikate waren de facto nicht mehr handelbar, der Markt brach zusammen.


Die Kelag baute und betreibt drei Windparks an der Schwarzmeer-Küste in der Dobrogea (Dobrudscha). Die Investitionen beliefen sich auf rund 50 Millionen Euro. Die Region zwischen Constanza und dem Donaudelta am Schwarzen Meer, die ehemalige Kornkammer Europas, ist ein idealer Standort für Windenergie. Heute wird dort keine Landwirtschaft mehr betrieben, aber es gibt aus dieser Zeit noch ein gutes Stromnetz, viel Wind und ungenütztes Land.
Bernd Neuner, Chef der Kelag International und für Windkraft zuständig, will gegenüber dem KURIER die eingeklagte Schadenssumme nicht beziffern. Es dürfte sich um einen zweistelligen Millionenbetrag handeln. „Wir müssen unsere Rechte wahren. Maßgeblich sind die Gesetze und Regelwerke, die zum Zeitpunkt unserer Investitionen gültig waren“, erklärt Neuner. Rumänien habe ein großes Potenzial an erneuerbarer Energie, daher sei es wichtig, „dass man Spielregeln hat, auf die man sich verlassen kann“. Mehrheitsaktionär der Kelag, die mehr als eine Milliarde Euro Umsatz einfährt, ist das Land Kärnten. Beteiligt sind noch Verbund und der deutsche Energiekonzern RWE.


Der Verbund-Windpark Donaudelta umfasst 88 Anlagen. Die mehrfach veränderten Rahmenbedingungen hatten „durchaus Auswirkungen auf die Rentabilitätsberechnung“, weshalb man den Marktzugang angepasst habe, erklärte eine Sprecherin. Der mehrheitlich staatliche Verbund will nicht klagen, die Windräder in Rumänien wurden 2016 um mehr als 57 Millionen Euro wertberichtigt. Wien Energie hat in Rumänien 28 Kleinwasserkraftwerke und ebenfalls Wertberichtigungen vorgenommen.


Brisante Energiecharta
Vor der Kelag ging schon ein Konsortium mit kleineren heimischen Firmen gegen Rumänien vor das Schiedsgericht. Das bei der Weltbank angesiedelte ICSID ist für Differenzen zwischen Investoren und Staaten zuständig.
Die Kläger berufen sich auf den Energy Charter Treaty (ECT). Dieser internationale Vertrag wurde nach dem Zerfall der Sowjetunion 1991 von 51 Staaten unterzeichnet und sollte westliche Investitionen im ehemaligen Ostblock absichern.
Doch heute kann diese Energiecharta die Klimaziele gefährden. Unternehmen können entgangene Gewinne einklagen, wenn Staaten aus fossilen Brennstoffen aussteigen. NGOs fordern längst dringend den Ausstieg aus dem Vertrag. Der EuGH erklärte im September die Energiecharta für unwirksam, die Kommission will eine Reform.

Kurier

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