Energiepolitik. Malta dürfte Millionen aus dem EU-Budget erhalten, um eine Gaspipeline zu bauen – von welcher der Hauptangeklagte im Mordfall Galizia profitiert.
Der Mord an der maltesischen Journalistin Daphne Caruana Galizia sorgt nach vier Jahren erneut für Schlagzeilen. Am Freitag beschlossen nämlich laut dem britischen „Guardian“ die EU-Botschafter, dass Malta und Zypern entgegen den klimapolitischen Zielen der Union weiterhin Subventionen aus dem EU-Haushalt beziehen können, um an das europäische Netz für Gaspipelines angeschlossen zu werden. Das ist die Voraussetzung dafür, dass Maltas einziges Gaskraftwerk nicht mehr mit überteuertem Flüssiggas, sondern künftig billiger per Rohrleitung versorgt werden kann.
Davon wird eine maltesische Energiefirma namens Electro Gas finanziell profitieren – sie gehört zu einem Drittel einer Gruppe einflussreicher maltesischer Geschäftsleute, darunter Yorgen Fenech, der heuer Ende August wegen Anstiftung zum Auftragsmord an Caruana Galizia angeklagt worden ist.
Fenech droht im Fall des Schuldspruchs bis zu lebenslange Haft. Dieser Strafprozess führt direkt zur letzten Recherche der am 16. Oktober 2017 per Autobombe ermordeten Journalistin zurück. Denn nach Ansicht der Staatsanwaltschaft waren es genau diese Erkundungen des Umbaus und der Belieferung des Kraftwerks in Delimara durch Electro Gas, die Daphne Caruana Galizia das Leben gekostet hatten.
Dubioser Aserbaidschan-Deal
Das Kraftwerk wurde nämlich bis zum Jahr 2017 mit Öl betrieben. Die Art und Weise, wie Electro Gas ohne Ausschreibung einen Zehnjahresvertrag von der damaligen sozialdemokratischen Regierung Maltas zugesprochen erhielt, erregte nicht nur Caruana Galizias Misstrauen.
Noch größer war das Erstaunen, als ein Recherchekollektiv um den „Guardian“ und die „Süddeutsche Zeitung“ im April 2018 offenlegte, dass der aserbaidschanische staatliche Ölkonzern Socar das Flüssiggas lieferte – dabei stellte weder Aserbaidschan noch Socar solches selber her. Vielmehr kaufte Socar pro Jahr um mehr als 100 Millionen Euro Flüssiggas von Shell und verkaufte es mit Aufschlag von rund 30 Millionen Euro an Electro Gas, das es dann um diesen überhöhten Preis an das Kraftwerk verkaufte.
Diese zweifelhafte Konstruktion könnte dadurch ein Ende finden, dass Malta und damit das Gaskraftwerk in Delimara mit der Melita-Pipeline an Sizilien verbunden und somit Teil des EU-weiten Netzwerks von Gasleitungen wird. Dafür könnten nach dem Willen der Mehrheit der Regierungen EU-Förderungen fließen. Inwiefern das Europaparlament dabei mitspielt, ist offen. Ab Dienstag verhandelt es mit den Regierungen über die Frage, ob EU-Mittel fossile Energieprojekte fördern können sollen.
von unserem Korrespondenten Oliver Grimm
Die Presse