Der lange Weg zum Wasserstoff

1. Dezember 2021

Wasserstoff ist für die energie- intensive Industrie die Perspektive in Richtung CO2-freie Zukunft. Der Weg dorthin scheint etwas steinig.


Wer in Österreich einen Weg in Richtung einer Wasserstoffwirtschaft skizziert, der stößt schnell auf den größten Energieerzeuger des Landes und den größten Energieverbraucher, Verbund und Voestalpine. Die steirisch-oberösterreichische „Achse“ lässt sich zwischen dem südsteirischen Mellach über die TU Graz bis nach Linz spannen.
Wie ein Nukleus, ein Mini- Kern möglicher Wasserstoff-Wasserschaft allerorten, steht hier in einem Container neben dem riesigen Gaskraftwerk in Mellach seit rund zwei Jahren eine Hotflex-Elektrolyse. Ihre Besonderheit: ein relativ hoher Wirkungsgrad von 60 Prozent bei der Aufspaltung von Wasser zu Sauerstoff und Wasserstoff durch überschüssigen Strom. Umgerechnet ein paar Kilo Wasserstoff kann die Anlage pro Stunde produzieren, wenn die 40 Normkubikmeter dem Erdgas beigemischt werden, das hier die Turbinen antreibt, sind das homöopathische Dosen.
Die gewonnenen Daten nützen Forschern und Entwicklern im Großanlagenbau, insbesondere an der TU Graz. Rund um eine Besonderheit der Hotflex ist man im Verbund inzwischen um einige Erkenntnisse reicher. Die Anlage kann bei Bedarf auch Strom produzieren, könnte also als Netzstabilisator oder Notstromaggregat dienen. Dafür bräuchte es aber besser ein Hotflex-Doppelpack, also zwei Anlagen, so die ersten Erkenntnisse bei Verbund. 2022 geht der Versuch in die Endphase.


Praktisch abgeschlossen ist dagegen das viel größere und industriell extrem spannende Gemeinschaftsprojekt von Verbund, Voestalpine und Siemens in Linz, wo auf dem Gelände der Voestalpine ebenfalls mit Überschussstrom Wasserstoff produziert wird. Forschungsziel: der Einsatz des Wasserstoffs in der Stahlherstellung. Erst vor Kurzem bestätigte Voestalpine-Chef Herbert Eibensteiner, dass der Betrieb so erfolgreich laufe, dass man „H2Future“ jetzt in ein Nachfolgeprojekt überführe. Von den 18 Millionen Euro, die das seinerzeit weltweit größte Forschungsprojekt dieser Art kostete, wurden zwölf Millionen EU-gefördert.


Ohne den massiven Anschub durch Fördergeld gehe bei Wasserstoff noch viele Jahre nichts, betont Verbund-Chef Michael Strugl immer wieder. Ein Hebel seien die CO2-Kosten, denn bis 2030 sei mit Ökostrom produzierter Wasserstoff viel teurer als fossil erzeugter. Aber es gelte jetzt wichtige Weichen zu stellen, auch im Hinblick auf europäische Transportkorridore. Grundsätzlich ist Wasserstoffbeimischung zum Erdgas im normalen Netz möglich, auch wieder das „Herausholen“ (Deblending). Eigene Wasserstoffpipelines würden sich rechnen, wenn der Wasserstoffanteil 20 Prozent übersteige, hat man bei Gas Connect Austria errechnet.


Vor wenigen Tagen wurde in Brüssel eine neue Fördermitteltranche von 1,5 Milliarden Euro für Wasserstoffprojekte bekannt gegeben. Österreich hatte sich zuletzt 125 Millionen aus Corona-Recovery-Programm gesichert, insgesamt könnten 500 Millionen Euro Fördermittel zur Verfügung stehen, heißt es beim zuständigen Staatssekretär Magnus Brunner (ÖVP). Derzeit hängt eine Wasserstoffstrategie aber noch in der Luft. Vorrang hat das derzeit noch das Energieeffizienzgesetz, wo Österreich gerade so unter Zeitdruck steht, dass ein Vertragsverletzungsverfahren der EU droht.

Kleine Zeitung

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