EU legte Kriterien für nachhaltige Investitionen fest

9. Dezember 2021, Brüssel
AKW sollen als grün gelten
 - Brokdorf, APA/dpa

Die EU hat konkrete Kriterien für klimafreundliche Investitionen festgelegt. In der Nacht auf Donnerstag wurde ein Rechtsakt angenommen, der Details der sogenannten Taxonomie regelt. Die EU-Staaten ließen um Mitternacht die Einspruchsfrist , ohne ihn abzulehnen. In der Taxonomie wurden Kriterien für „grüne“ Bioenergie, Wasserkraft oder Forstwirtschaft festgelegt. Ob Gas und Atomkraft sowie bestimmte landwirtschaftliche Aktivitäten als klimafreundlich gelten, steht noch aus.

Dafür will die EU-Kommission bis Ende des Jahres einen weiteren Rechtsakt vorlegen. Laut dem Online-Portal „Politico“ könnte der 22. Dezember der Tag sein, an dem diese beiden Energiequellen aufgenommen werden, auf jeden Fall soll die Entscheidung vor Weihnachten fallen, hieß es unter Berufung auf EU-Kommissar Frans Timmermans. Kernenergie sei sehr wichtig ist, um die Emissionen zu reduzieren, und Erdgas sehr wichtig für den Übergang von der Kohle zu erneuerbaren Energien wurde, sagte dieser gegenüber „Politico“.

Die Taxonomie ist umstritten, da sie Weichen für große Finanzströme stellt. Sie definiert, welche Bereiche der Wirtschaft klimafreundlich sind. Bürger und Investoren sollen so klare Informationen über nachhaltige Finanzprodukte erhalten – das soll dabei helfen, die für die Klimawende benötigten Milliarden zu mobilisieren. Eine Taxonomie mit Atom und Erdgas wäre aus Sicht der NGO Global 2000 widersinnig: „Wenn Erdgas – wohl mit Kriterien – und Atomenergie vorbehaltlos mit all ihren vollkommen unbeherrschbaren Risiken aufgenommen wird, ist die EU-Taxonomie sinnlos und wird zu transparenten ökologischen Investitionen im Sinne des Pariser Klimaabkommens und des EU Green Deal nichts beitragen,“ betonte Patricia Lorenz, die Atom-Sprecherin der Umweltschutzorganisation am Donnerstag in einem Statement.

Mit dem Rechtsakt ist nun ein erster Schritt zu konkreten Kriterien getan. Darin werden Aktivitäten wie die Stromproduktion mit Solarpaneelen oder Transport per Bahn als klimafreundlich aufgelistet. Es werden etwa Kriterien für umweltfreundliche Wasserkraftwerke festgelegt. Die Umweltschutzorganisation WWF kritisierte, die Vorgaben für Bioenergie und Forstwirtschaft seien nicht streng genug. Die Regeln werden am 1. Jänner 2022 offiziell in Kraft treten.

Besonders kontrovers ist nach wie vor, ob Atomkraft und Gas auch als nachhaltig gelten können. Seit Monaten streiten die EU-Länder darüber. Frankreich zusammen mit Ländern wie Polen und Tschechien will Atomkraft um jeden Preis als „grün“ kennzeichnen. Unter anderem Österreich, Deutschland und Luxemburg sind strikt dagegen.

Allerdings gibt es etwa in Deutschland eine starke Lobby dafür, Gas in die Taxonomie aufzunehmen. Inzwischen gilt es als wahrscheinlich, dass bestimmte Gas- und Atomkraftwerke zumindest vorübergehend in der Taxonomie gelistet werden. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte zuletzt, die EU brauche neben erneuerbaren Energien auch Atomkraft als stabile Energiequelle und Gas als Übergangsquelle während der Klimawende.

Umweltorganisationen wie Greenpeace und der WWF sowie Grüne Abgeordnete warnen davor, Gas und Atomkraft als umweltfreundlich darzustellen – Gas wegen der CO2-Emissionen und Atomkraft wegen des radioaktiven Mülls. Sebastien Godinot vom WWF sagte, dies würde die Glaubwürdigkeit der Taxonomie ruinieren, da existierende Regeln für klimafreundliche Anleihen am Finanzmarkt bereits strenger seien. „Es würde den Anspruch der EU auf eine Führungsrolle bei nachhaltigen Finanzen zerstören.“

Auch für die österreichische Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) stünde bei einer Aufnahme von Atomkraft und Gas in die Taxonomie deren Glaubwürdigkeit auf dem Spiel: „Die Taxonomie stellt klar, welche wirtschaftlichen Aktivitäten unseren Umweltzielen dienen und dabei keinen erheblichen Schaden anrichten. Alleine aus dieser kurzen Definition wird klar: Das kann weder für Atomkraft noch für fossiles Gas gelten. Aus diesem Grund gibt es auch keine rechtliche Basis für die Aufnahme der Atomkraft in die Taxonomie“, argumentierte Gewessler in der Vergangenheit aufgrund zweier Rechtsgutachten.

Zuletzt hatten sich auch mehrere Initiativen von politischer Seite gegen „grüne“ formiert. Ende November setzte sich SPÖ-EU-Delegationsleiter Andreas Schieder für eine fraktionsübergreifende Allianz mit anderen EU-Parlamentariern für eine „Grüne Energieunion“ ein. Bis auf die FPÖ unterschrieben alle österreichischen EU-Parlamentarier.

Beim UN-Klimagipfel in Glasgow zeigte zudem sich ein Staatenbündnis mit österreichischer Beteiligung als Gegner von Atomkraft und Gas. Auch die deutsche Bundestagsabgeordnete der Grünen, Lisa Badum, hat nun einen gemeinsamen Aufruf gestartet, gegen den „dreisten Versuch dieses Greenwashings“ gestartet. Abgeordnete aus dem österreichischen Parlament, sowie aus anderen europäischen Parlamenten, haben diesen parteiübergreifenden Aufruf ebenfalls bereits unterschrieben.

APA/dpa