Die neue Strategie der OMV

15. Dezember 2021

Energiewende. Einstimmiger Vorstandsbeschluss im Aufsichtsrat: Wachstum in Richtung Innovation, Öl- und Gasförderung wird ab 2025 langfristig zurückgefahren, Standort Gänserndorf bleibt bestehen. Die Umsetzung der neuen Strategie wird die große Herausforderung für OMV-Chef Alfred Stern. Er muss es schaffen, dass das Management an einem Strang zieht, muss Mitarbeiter und Gewerkschaft ins Boot bringen und die Politik, insbesondere die ÖVP Niederösterreich, überzeugen. Sowie den Kapitalmarkt.

Am Dienstag wird das 20-seitige Strategiepapier dem Aufsichtsrat zur Genehmigung vorgelegt. Auch das wird keine leichte Übung. Monatelang hatte ein internes Team aus 20 bis 30 Mitarbeitern in zahlreichen Workshops, auch mit dem Aufsichtsrat, daran gearbeitet. Die letzte, von Vorgänger Rainer Seele 2018 ausgearbeitete Strategie, hat sich längst überholt.

Diese Woche trafen sich die Eigentümervertreter. Helmut Kern, Aufsichtsratschef der Staatsholding ÖBAG (31,5 Prozent), jettete mit Interimschefin Christine Catasta und der designierten neuen Alleinvorständin Edith Hlawati zum Syndikatspartner Mubadala nach Abu Dhabi.

Eines ist klar. Österreichs größtes Industrieunternehmen steht an einem kritischen Punkt, Stichwort Energiewende. So wie bisher kann die OMV nicht weitermachen, ansonsten fährt der Konzern irgendwann gegen die Wand.
Optionen wurden geprüft und verworfen. So auch die klarerweise von Johann Pleininger als Vorstand für Exploration und Produktion forcierte Zweiteilung in einen Energie- und Chemiebereich, der KURIER berichtete. Bei einem Multiple von nur drei bis fünf Jahres-Cashflows, das derzeit am Markt erzielbar ist, wäre es jedoch nicht vertretbar, den Energiebereich derart billig zu verkaufen.

Wie man aus dem Aufsichtsrat hört, ist die neue Wachstumsstrategie klar auf Gewinn- und Cashflow-Steigerungen durch Innovation und Nachhaltigkeit ausgerichtet. Kurz- und mittelfristig wird noch weiter in das traditionelle Öl- und Gasgeschäft investiert. Für 2022 sind 800 Millionen Euro geplant. Diese Größenordnung bleibt bis 2025 konstant und soll dann aber zurückgefahren werden, allerdings sehr langsam, wird in Eigentümerkreisen betont. Heißt, bestehende Förderstätten werden zwar weiter ausgebeutet, aber keine neuen mehr erschlossen.

Druck von allen Seiten

2050 soll die OMV CO₂-neutral sein und kein Öl und Gas fördern. Die Investitionen sollen stattdessen in neue Energie-Technologien, Kraftstoffe wie nachhaltiges Kerosin (SAF) und die Kreislaufwirtschaft fließen. Stern und sein Team haben sich Flexibilität offen gehalten, die Strategie wird regelmäßig evaluiert. Der Vorstandsbeschluss erfolgte einstimmig.
Während Leonore Gewessler die Transformation zu langsam geht und die grüne Klimaministerin Druck macht, fürchten Gewerkschaft und Belegschaftsvertreter um den Standort Gänserndorf. Bis zu 2.000 Jobs könnten in Österreich gestrichen werden, wird kolportiert. Auch in SPÖ und ÖVP Niederösterreich gibt es Skepsis, Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner muss schließlich in 13 Monaten eine Wahl schlagen.

Ein Aus für Gänserndorf (530 Mitarbeiter) ist in der Strategie allerdings nicht vorgesehen. Im Gegenteil, dort soll „full potential“ produziert werden. Über den Abbau von Jobs oder Restrukturierungen findet sich nichts im Strategiepapier. Freilich ist auch klar, dass die Jobs langfristig nicht dieselben bleiben.

Die Mehrheitsbeteiligung an der rumänischen Petrom, dem größten Energie-Unternehmen in Südosteuropa, will die OMV behalten. Petrom gab jetzt bekannt, bis 2030 elf Milliarden Euro zu investieren, einen großen Teil davon in Dekarbonisierung und Erneuerbare Energien. Sowie in das Gasförderprojekt Neptun am Schwarzen Meer und in die Optimierung von Raffinerie und Tankstellen. Auch Petrom soll bis 2050 CO₂-neutral werden.
Fragt sich, ob die OMV in Russland überhaupt weiter investiert. Bis Mitte 2022 muss über das von Seele mit Gazprom verhandelte Non-Binding-Agreement für eine Beteiligung am sibirischen Öl- und Gasfeld Urengoy entschieden werden.


von Andrea Hodoschek

Kurier