Strompreise gehen durch die Decke

17. Dezember 2021, Linz

Alarmstimmung in Oberösterreichs Industrie: Hälfte des Stroms für 2022 nicht eingekauft

„Die Entwicklung ist unglaublich: Am 10. Dezember kostet eine Megawattstunde Strom 186 Euro, am 14. Dezember 206. Das ist innerhalb von vier Werktagen ein Plus von mehr als zehn Prozent“, berichtet Michael Baminger, Geschäftsführer in der Energie AG Vertrieb GmbH.

Vor neun Monaten (siehe Chart) lagen die Vergleichswerte bei 50 bis 60 Euro. Der Strom-Jahrespreis für Großverbraucher ist seither durch die Decke gegangen – und führt zu großer Nervosität in jenen Teilen der Wirtschaft, die lange zu billigen Spotpreisen eingekauft und nur einen Teil ihres Jahresverbrauchs mit Jahresverträgen abgesichert haben.

Und das sind in Oberösterreich viele: Laut Energie AG sind mehr als 50 Prozent der benötigten Strommenge für nächstes Jahr noch nicht eingekauft. Das versetzt viele Industriebetriebe in Alarmstimmung.

Gute Nachricht für „Zocker“

Eine kleine gute Nachricht gibt es für die „Zocker“ aber: Würden sie jetzt den Strom für 2023 einkaufen, dann würden sie 117 Euro bezahlen, für 2024 „nur“ 91 Euro. Allerdings ist unklar, wo die Marktpreise dann sind. „Niemand weiß, ob sich dieses Preisniveau fortsetzt oder nicht“, sagte Johannes Mayer, Leiter der volkswirtschaftlichen Abteilung der E-Control.

Die volatile Situation bringt jedenfalls Schwung in den Strommarkt: Die Unternehmen sehen sich nach Alternativen zu ihren bisherigen Anbietern um. Die Energie Allianz (Wien, Burgenland, Niederösterreich), die von einer prekären Situation spricht, habe auch Anfragen aus Oberösterreich, heißt es.

Baminger sagt, dass der Wettbewerb zwar „vital“ sei, eine Abwanderung seiner Firmenkunden Richtung Osten sieht er aber nicht. Allerdings habe die Energie AG aufgrund der steigenden Preise eine kleine Anzahl an auslaufenden Verträgen mit Betrieben auch kündigen müssen, weil man sich mit den Kunden nicht einigen konnte. Aber das sei geübte und gängige Praxis auch in Zeiten weniger turbulenter Preissprünge.

Privatkunden der Energie AG und der Linz AG haben noch Preisgarantien. Einige Anbieter haben aber auch hier die günstigen Verträge gekündigt, weshalb Haushaltskunden sich neue Anbieter (zu höheren Preisen) suchen müssen, die OÖN haben berichtet.

Die Gründe für den neuerlichen Preissprung sieht Mayer in zwei Faktoren. Zum einen hängt Österreichs Stromerzeugung stark am Gas – ein Drittel der Primärenergie ist derzeit Gas für die Gaskraftwerke. Die aktuellen Gaspreisanstiege hängen stark mit dem Russland-Konflikt zusammen.

Entspannt sich die Lage, sinken die Gaspreise schnell. Ob und wann die Nord-Stream-Pipeline in Betrieb genommen wird, ist ebenfalls ausschlaggebend. „Das Szenario erinnert an die zweite große Erdölkrise mit dem Iran-Irak-Krieg in den 1980ern“, kommentierte Mayer die politischen Ereignisse, die direkt auf den Strommarkt durchschlagen.

„Wir haben keine Freude mit dieser Entwicklung – höhere Preise sind nicht pauschal positiv für uns. Vor allem dann nicht, wenn die Situation so volatil ist.“
Michael Baminger, Energie AG

„Die Auswirkungen des hohen Strompreises auf die Industrie sind momentan sehr schwer abzuschätzen. Niemand weiß, ob dieses Preis- niveau sich fortsetzt.“
Johannes Mayer, E-Control

Oberösterreichische Nachrichten

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