„Kein Staat ist auf Blackout vorbereitet“

27. Dezember 2021, Wien

Der Bestseller-Autor Marc Elsberg erläutert, orspannVorspann.


Marc Elsbergs Wissenschaftsthriller „Blackout“ hat sich weltweit über zwei Millionen Mal verkauft und wurde in 23 Sprachen übersetzt. Das 2011 geschriebene Buch wurde nun in einer Sonderedition neu aufgelegt.

Bei Ihnen hat sich der Erfolg erst eingestellt, als Sie von Ihrem bürgerlichen Namen Marcus Rafelsberger durch Streichung von fünf Buchstaben zum Künstlernamen Marc Elsberg gewechselt sind. Ist der Buchmarkt so oberflächlich?
Marc Elsberg: Das wäre jetzt eine sehr simple Erklärung (lacht) . Der Erfolg hat sich primär mit meinem Genrewechsel vom klassischen Krimi hin zum Wissens-Thriller eingestellt. Die Namensanpassung ging auch mit meinem Verlagswechsel einher, war aber meine Idee. Hintergrund war, dass mein ursprünglicher Agent „Blackout“ nicht vertreten wollte. In „Blackout“ versinkt Europa aufgrund eines Cyberangriffs auf die Stromnetze 14 Tage lang im Chaos.

Wie sind Sie auf die Idee für den Plot gekommen? Und wie lange haben Sie recherchiert?
Die Recherche hat ein paar Jahre gedauert, aber ich habe ja damals noch Vollzeit in der Werbebranche gearbeitet. Ich wollte über unsere vernetzte Welt schreiben. Das merken wir ja gerade in der Pandemie, wie schnell Lieferketten eng werden oder auch reißen können. Das war die Ursprungsidee für „Blackout“. Heute ist unser ganzes Leben so organisiert, dass auch ein Spital am Anfang oder Ende einer Lieferkette steht; genauso wie ein industrieller Kuhstall. Dazu habe ich mir kritische Infrastruktur angeschaut – von Logistik- und Finanzsystemen über das Internet bis zur Energieversorgung. Da merkt man bald, dass man die alle bis zu einem gewissen Grad sabotieren kann, sodass die dranhängenden Ketten reißen können. Am schnellsten und einfachsten ist die Sabotage bei Energiesystemen, weil heute überall ein Chip drin ist – und der braucht Strom. Und die Stromversorgung ist das Rückgrat unserer westlichen Zivilisation.


Ihr Roman wurde mit Moritz Bleibtreu in der Hauptrolle verfilmt; Free-TV-Ausstrahlung ist im Frühjahr 2022 bei Sat 1. Auch der ORF zeigt 2022 mit „Alles finster“ eine fiktionale Serie zu dem Thema. Funktioniert es als Film besser denn als Buch?
Ich habe die Verfilmung meines Buchs sehr gelungen gefunden, auch wenn sie einiges anders gemacht haben. Es funktioniert als Buch sehr gut, weil ich bildhaft schreibe. Auf Bildschirm oder Leinwand funktioniert das natürlich optisch toll; früher hießen Kinos ja Lichtspieltheater. Und es geht in der Geschichte darum, dass das Licht ausgeht. Der Katastrophenfilm ist ohnehin ein klassisches Genre – von der Weltüberflutung bis zum Terroranschlag oder „Jurassic Park“. Wie realistisch ist es, dass das im Buch geschilderte Szenario tatsächlich so eintritt? Die eine Frage ist: Wie realistisch ist, dass es dazu kommt? Da geht es um die Frage von Risiko und Wahrscheinlichkeit. Aber wir sehen laufend Hackerangriffe, die auch zum Teil von Staaten wie China, Russland, Nordkorea oder dem Iran gesteuert werden – auch wenn Hackergruppen vorgeschoben werden. Der Westen macht das bis zu einem gewissen Grad wohl auch. Zu Blackouts kann es aber auch aus anderen Gründen kommen: Wetter, technisches oder menschliches Versagen, auch plötzlicher Personalmangel in einer Pandemie. Bei solchen Ursachen würde er aber kürzer dauern als in meinem Buch, ein paar Tage maximal. Schlimm genug. Die andere Frage ist: Wenn so ein Angriff in so einer Breite käme, dann sagen die meisten Experten, dass die Schilderungen im Buch sehr realistisch sind. Manche meinen sogar, es könnte noch schlimmer kommen. Im Buch gehe ich davon aus, dass in den ersten zwei bis vier Tagen noch nicht so viele Plünderungen und Gewalt passieren. Da glauben manche Experten, dass es viel schneller so weit kommt.


In Österreich fand erst kürzlich eine Bundesheerübung zum Blackout-Thema statt. Sind wir gut genug für den Ausfall der Stromnetze gerüstet? Kein Staat der Welt ist gut genug auf einen Blackout vorbereitet. Auch Österreich nicht. Das Bundesheer hat festgestellt, dass nicht einmal seine Kasernen autark sind. Die behördliche Empfehlung wäre zudem, Lebensmittel für zehn Tage zu Hause zu haben. Das haben die meisten nicht. Es gibt schon Vorbereitungen – in der Verwaltung und in den Unternehmen. Aber die sind nicht ausreichend. Österreich steht damit nicht allein da; was den Zustand aber nicht entschuldigt. Aber das hat sich auch in der Pandemie gezeigt, auf die wir nicht vorbereitet waren.

Sie sind mittlerweile ein gefragter Redner und Veranstaltungsgast. Was haben Sie selbst seither über das Energiethema dazugelernt? Wo soll ich anfangen? (lacht) Während der Recherchen war ich überrascht, wie wenig die Tragweite eines großen Stromausfalls vielen bewusst war. Das hat sich in den vergangenen zehn Jahren geändert; allein durch die Energiewende in Deutschland, manche sagen, auch durch mein Buch. Was als Thema massiv dazugekommen ist, ist der Umbau des Systems, weg von den fossilen hin zu den erneuerbaren Energien. Das wird von manchen politisch Verantwortlichen noch immer nicht verstanden, dass wir nicht nur die Produktion ändern, sondern das Gesamtsystem, weil man parallel dazu die Netze und Speicher ausbauen muss. Denn die Stromproduktion aus Wind und Solarenergie ist sehr volatil – abhängig von Sonnenstand, Jahreszeit und Windstärke etc. Kann die Menschheit generell den Klimawandel aufhalten? Und wenn ja, wie? Wenn wir uns anstrengen, kriegen wir das vielleicht hin. Für das Wie gibt es zig Vorschläge. Es ist eher die Frage: Wie kriegen wir die Politik dazu, die nötigen Maßnahmen zu treffen? Und die Bevölkerung, diese mitzutragen? Denn das, was auf der Klimakonferenz in Glasgow besprochen wurde, ist zu wenig. Diese Konferenzen gibt es seit Jahrzehnten: Es gab dort immer große Lippenbekenntnisse. Aber es sind zu wenige Taten gefolgt. Wenn sich das in den nächsten Jahren ändern würde, wäre es eine große Überraschung.

Wissenschaftsromane erleben derzeit generell einen kleinen Boom. Warum? Bei meinen Büchern weiß ich, dass viele Leute das Kombi-Paket schätzen – Unterhaltung und gleichzeitig etwas über die Welt zu lernen. Das gefällt den Leuten, weil sie zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Und: Es lesen ja mehr Frauen als Männer Bücher, quer über alle Genres. Meine Bücher werden auch von vielen Männern gern gelesen. Und drittens gibt es ein Bedürfnis in Teilen der Gesellschaft, sich mit wissenschaftlichen Themen auseinanderzusetzen. Würde Sie nicht die Pandemie reizen, um daraus einen Wissenschaftsroman zu entwickeln? Mein Agent und mein Verlag haben das schon früher angeregt. Mich hat es aber nicht interessiert, weil ich das Pandemiethema für auserzählt halte – durch Thriller seit den 90er-Jahren oder Filme wie „Contagion“ (engl. für Ansteckung; Anm.) und „Outbreak“ sowie diverse Serien. Wenn, dann würde ich das anders machen wollen. Denn ein Ziel meiner Bücher ist immer, einen originellen, neuen Blickwinkel auf ein Thema zu haben.


Marc Elsberg (54) wuchs in Baden auf. Er arbeitete als Werber, bevor er nach einigen Krimis mit „Blackout“ 2012 den Durchbruch schaffte.

von STEFAN VEIGL

Salzburger Nachrichten