Pinkwart setzt sich für staatliche Gasreserve ein

27. Dezember 2021


Der FDP-Politiker spricht sich angesichts schrumpfender Bestände für eine Bevorratung wie beim Erdöl aus.

NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) will eine staatliche Gas-Bevorratung einführen. Angesichts der niedrigen Füllstände der Erdgas-Speicher müsse man „als Ultima Ratio eine strategische nationale Gasreserve prüfen“, sagte Pinkwart dem Handelsblatt.


„Die sehr niedrigen Gasspeicherfüllstände in dieser frühen Phase des Winters verdeutlichen ein grundlegendes Problem“, ergänzte er. Auf Basis des aktuellen Marktdesigns sei „niemand dafür verantwortlich, frühzeitig ausreichende Gasmengen in Speichern einzulagern“, sagte Pinkwart.


Die deutschen Gasspeicher sind nach Branchenangaben aktuell zu 57 Prozent gefüllt. Dieser Wert liegt deutlich unter dem langjährigen Mittelwert zu dieser Jahreszeit. Nennenswerte Einspeisungen in die Gasspeicher finden derzeit nicht statt. Die Preissituation ist extrem angespannt.


Pinkwart empfahl, sich an der Erdölbevorratung zu orientieren. Beim Erdöl gibt es seit Jahrzehnten eine staatlich geregelte Bevorratung. Die Ölreserve wird vom Erdölbevorratungsverband (EBV) organisiert und überwacht. Im EBV sind alle deutschen Unternehmen Pflichtmitglieder, die Öl einführen oder verarbeiten, insbesondere die großen Mineralölkonzerne. Mit dem Vorrat soll der deutsche Erdölbedarf im Notfall für mindestens 90 Tage gedeckt werden.
Anders beim Erdgas: Die Vorratshaltung folgt den Regeln des Marktes. Der derzeit niedrige Füllstand erklärt sich zum Teil damit, dass Gashändler nach einem kalten Winter 2020 2021 und einem seit dem Frühjahr 2021 steigendem Gaspreis den Sommer nicht genutzt haben, um Vorräte anzulegen. Der hohe Gaspreis hat sie davon abgehalten. Hinzu kommt, dass Russland seine Zusage nicht umsetzt, verstärkt Gas zu liefern. Das hatte Präsident Wladimir Putin zwar Ende Oktober angekündigt, die Zusage hielten die Russen aber nicht ein. Lediglich für wenige Tage lieferten sie nach dem 8. November mehr Erdgas. Laut des ukrainischen Transportnetzbetreibers nutzen die Russen die Kapazitäten für den Gastransit durch die Ukraine nicht aus.


Pinkwart sagt, die aktuelle Lage mache deutlich, „dass wir erheblich zu wenige Bezugsquellen für Erdgaslieferungen und entsprechende Transportinfrastrukturen wie LNG-Terminals haben, die wir ja auch für Wasserstoffimporte benötigen werden“.


Zwar erfolgten in den vergangenen Jahren Anpassungen des regulatorischen Rahmens, um die Gasreservebeschaffung anzureizen. Nach Überzeugung Pinkwarts reichen sie aber nicht aus. Die Gasreserven müssten „frühzeitig und in ausreichender Höhe auch ausgeschrieben werden, um bei einem strengen Winter eine Mindestkapazität zum Ende der Heizperiode sicherzustellen“, sagte Pinkwart.


Zurückhaltende Reaktionen
Pinkwart will nach eigener Aussage „kurzfristig an Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck herantreten und gemeinsam mit der Branche die aus meiner Sicht notwendige Nachschärfung vorhandener und auch die Entwicklung weiterer Instrumente angehen“. Habecks Ministerium ist allerdings zurückhaltend. „Die Gasversorgung in Deutschland ist weiterhin sicher. Es gibt aktuell keine Versorgungsengpässe“, teilte das Ministerium auf Anfrage mit. Habecks Haus verwies darauf, man stehe kontinuierlich mit anderen EU-Staaten im Austausch, um das Krisenmanagement im Gasbereich weiter zu verbessern.


Auch seitens der SPD gibt es Vorbehalte hinsichtlich einer staatlichen Bevorratung. „Auch ohne eine kostspielige staatliche Erdgasreserve wird diesen Winter niemand in einer kalten Wohnung sitzen“, sagte Johann Saathoff, langjähriger Energiepolitikexperte der SPD-Bundestagsfraktion und neuer parlamentarischer Staatssekretär im Bundesinnenministerium.

Handelsblatt

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