Wen die neue CO2-Steuer besonders stark treffen wird

5. Jänner 2022, Wien

In Österreich gilt ab Juli ein Aufschlag auf Sprit und Heizkosten. Zahlen werden alle, aber nicht gleich viel, manche werden sogar profitieren. Experten sind skeptisch.

Ein Vier-Personen-Haushalt, der pro Jahr rund 20.000 Kilometer mit einem halbwegs modernen Dieselauto fährt und in einem Haus wohnt, das mit Gas oder Öl geheizt wird, muss ab 2023 zu den ohnehin schon steigenden Treibstoff-, Gas- und Strompreisen für Energie zusätzlich 230 bis 250 Euro (2022 die Hälfte) ausgeben. Denn ab Juli wird in Österreich jede Tonne an klimaschädlichen CO2-Emissionen mit einem Aufschlag versehen. 30 Euro je Tonne wird die neue Treibhausgassteuer zunächst ausmachen, 2023 steigt der Aufschlag auf 35 Euro, im Jahr darauf auf 45 Euro und 2025 auf 55 Euro. Das wird die Energieausgaben von Haushalten und Unternehmen erhöhen – außer sie stellen Häuser, Autos, Gebäude und Fabriken klimafreundlich um.

Doch das ist nur die halbe Geschichte. Denn um den schrittweisen Umbau des Landes auf null CO2 halbwegs sozial verträglich zu machen, bekommt jeder Österreicher pro Kopf 100 bis 200 Euro im Jahr zurücküberwiesen (Kinder bis 18 Jahre die Hälfte). Der sogenannte Klimabonus errechnet sich aus einem komplizierten System aus Sockelbetrag und Regionalzuschlag, abhängig von der Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln.

Nach den Berechnungen des Fiskalrats werden 40 Prozent der Haushalte – die zwei einkommensschwächsten Quintile – mehr zurückbekommen, als sie an CO2-Abgabe zahlen. (Wie höhere Transport-, Produktions- und Heizkosten auf jedes Produkt de facto durchschlagen, ist nicht berücksichtigt.) Wer dagegen in der Stadt wohnt, viel fliegt, vielleicht gar einen Pool hat oder zwei Autos und mit Gas heizt, wird es sehr wohl spüren, ebenso wie Singles mit Ölheizung, die viel mit dem Auto fahren.

Die Regierung rechnet im kommenden Jahr mit Zusatzeinnahmen von 500 Millionen Euro, 2023 mit einer Milliarde Euro und 2024 mit 1,4 Milliarden Euro. Es sei schon „ein Umsteuerungselement, das ernst zu nehmen ist“, wird im Klimaministerium betont. In Kombination mit ordnungspolitischen Maßnahmen, also Verboten und neuen Standards, Förderprogrammen, neuen steuerlichen Anreizen sowie dem massiven Infrastrukturausbau bei den Öffis werde es daher auch einen Lenkungseffekt geben.

Und auch einen Preiseffekt. Das System sei so konzipiert, dass es Planbarkeit gebe und keine Schockwirkung, unterstreicht man im grünen Klimaministerium. Sollte es doch zu einem Preisschub kommen, „müssten wir uns das genau anschauen“, heißt es dort. Denn der Energiekostenanteil sei bei den meisten Produkten sehr gering.
Bei Benzin wird sich die CO2-Abgabe laut Wirtschaftsforschungsinstitut mit sieben bis acht Cent pro Liter niederschlagen, bei Diesel mit etwas mehr. Das sei „ein Lercherl“, verglichen mit den jüngsten Preissprüngen bei Öl und Gas, beruhigt Wifo-Inflationsexperte Josef Baumgartner. In der Prognose für nächstes Jahr wurde sie mit 0,1 Prozentpunkten berücksichtigt. „Der CO2-Teil bei den Preissteigerungen ist nicht ganz vernachlässigbar, aber beinahe“, sagt Baumgartner. Wie es in den Folgejahren weitergeht, hänge davon ab, ob der Pfad beibehalten oder früher als 2026 auf den EU-Emissionshandel (ETS) umgestellt werde. Industrie und Energieversorger zahlen bereits jetzt rund 80 Euro je Tonne CO2.

Genau das fordert Erwin Mayer, Klimaökonom und seit 25 Jahren Vorkämpfer für CO2-Bepreisung und mehr Demokratie. „Jeder Euro weniger beim CO2-Preis macht das System teurer“, sagt er, „weil es teurer ist, Windräder aufzustellen, E- Autos anzuschaffen, Heizungen zu tauschen und mit Förderungen einzugreifen. Der Staat muss viel mehr gebieten und verbieten und jede Förderung mit Steuergeld finanzieren.“ Mayer befürchtet, dass der niedrige CO2-Preis zu wenig Signal sendet und der Preisschock nur verschoben ist. Gäbe es nur den CO2-Preis für den Klimaschutz, „dann wäre er zu niedrig“, räumt man auch im Ministerium ein. In Kombination mit anderen Maßnahmen werde es aber Verhaltensänderungen und damit eine Reduktion der Emissionen geben. „Es geht immer darum, dass die Instrumente zusammenspielen.“

Aus Mayers Sicht sollten die Bürger von Anfang an in die Entwicklung einer CO2-Steuer eingebunden werden. Das würde die Akzeptanz erhöhen. Erfahrungen aus Irland und Dänemark hätten gezeigt, dass ohnehin ein Preis für Emissionen herauskomme, wenn man Bürger diskutieren lasse. „Eine klare Mehrheit ist für eine CO2-Bepreisung, nur transparent und fair soll sie sein.“ Ein mögliches Gremium für weitere Diskussionen und Empfehlungen wäre der im Klimavolksbegehren geforderte Klimarat.

Noch gibt es offene Fragen, etwa wie der Klimabonus zu den Menschen kommt. Das wird in einer Verordnung fixiert. So unmittelbar wie in Österreich gebe es das bisher in keinem europäischen Staat. „Daher schauen alle anderen auf uns“, verlautet aus dem Klimaministerium.

Salzburger Nachrichten