Dass die EU unter gewissen Auflagen auch die Atomkraft als „grün“ einstufen will, sorgt hierzulande für teils harsche Kritik. Der Frage, ob kleinere Kernkraftwerke – sogenannte Small Modular Reactors – eine Lösung sein könnten, hat sich eine von der Stadt Wien geförderte Studie des Forums Wissenschaft & Umwelt gewidmet. Ergebnis: Derartige Anlagen werden nicht als günstiger, sondern sogar als teurer eingestuft. Auch das Risiko ist keinesfalls geringer, wird betont.
Die von Umweltstadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ) am Freitag präsentierte Studie hat sich bestehenden Konzepten in Sachen „Mini-Atomkraftwerke“ gewidmet und dabei zutage gefördert, dass diese vor allem auf dem Papier existieren, wie Studienleiter Reinhold Christian im Gespräch mit Journalisten ausführte. Lediglich in Russland sind zwei derartige Reaktoren auf einem Schiff im Einsatz. Darum musste man sich vor allem Projekten widmen, die noch in der Umsetzungsphase sind.
Berücksichtigt wurden Anlagen, deren Nennleistung unter 500 Megawatt liegt. Wirklich gering ist dieser Wert aber nicht, wie Christian betonte. Er entspricht rund 40 Prozent der projektierten Leistung des Atomkraftwerks Zwentendorf. Ein Indiz dafür, dass sich derartige Reaktoren wirtschaftlich rechnen würden, fanden die Autoren laut eigenen Angaben nicht.
Im Gegenteil: Die Bau-, Betriebs- und Endkosten sind laut Studie im Verhältnis deutlich höher als bei herkömmlichen Reaktoren, unter anderem weil Genehmigungsverfahren oder Sicherheitsvorkehrungen von der Dimension her ähnlich, die Energieausbeute aber deutlich geringer ist. Die angestrebten Wettbewerbsvorteile wie Serienproduktion, Modularisierung oder kürzere Bauzeiten seien nicht nachzuweisen, wurde versichert.
Die betreffenden Kraftwerke müssten in großer Zahl produziert werden, um auf vergleichbare Energiemengen zu kommen, heißt es. Viele Reaktoren in Verbrauchernähe zu postieren, wird aber als großes Sicherheitsrisiko gewertet – auch weil Angriffe von außen schwerer zu verhindern sein würden, wie man warnt. Auch die veranschlagten Zeitpläne geben wenig Anlass für Zuversicht. Laut David Reinberger von der Wiener Umweltanwaltschaft würden die Small Modular Reactors nicht wirklich rascher umsetzbar sein. Denn noch seien diese nicht serienreif.
Entwicklungsprozess, Genehmigungs- und Bauphase seien insgesamt mit mindestens 20 Jahren zu veranschlagen. Dazu komme, dass die Uranvorräte laut aktuellen Berechnungen nur mehr für rund 100 Jahre reichen. Würde man den Anteil der Atomenergie insgesamt weiter erhöhen, würden auch die Vorkommen deutlich rascher abgebaut werden. Das führe zu einer relativ kurzen Betriebsdauer der Kraftwerke. Außerdem, so gab Reinberger zu bedenken, bleibe man damit weiter von Ressourcen in anderen Ländern wie etwa Kasachstan abhängig.
Atomkraftwerke seien in jedem Fall eine „sauteure, hochgefährliche Retrolösung“, zeigte sich Czernohorszky überzeugt. Man zahle für diese einen viel zu hohen Preis. Atomenergie in die Taxonomieverordnung – die festlegt, welche Geldanlagen als klimafreundlich gelten sollen – aufzunehmen, sei ein Kniefall vor der Atomlobby. Gelder würden damit in Richtung Atomkraft gelenkt. Die Studie zeige, dass kleinere Reaktoren hier keine Lösung darstellen würden: „Die Vorteile sehen wir nicht.“ Eine Klage der Republik gegen die EU-Pläne werde von Wien unterstützt, versicherte er.
Umweltanwältin Andrea Schnattinger verwies darauf, dass Atomenergie auch keinesfalls emissionsfrei sei. Der Ausstoß von Treibhausgasen würde jenen der erneuerbare Energieträger übersteigen, gab sie zu bedenken. Atomenergie zu unterstützen würde bedeuten, Steuergelder in eine kostspielige, nicht nachhaltige und begrenzt verfügbare Energieform zu investieren – die über Jahrtausende eine Belastung darstelle.
APA