Lemke: Grünes Label für Atomkraft ist „absolut falsch“

21. Jänner 2022, EU-weit/Brüssel/Berlin
AKW sollen als grün gelten
 - Philippsburg, APA/dpa

Deutschlands Umweltministerin Steffi Lemke hat noch einmal eindringlich vor einer Einstufung von Atomkraftwerken als nachhaltige Investition auf EU-Ebene gewarnt. „Atomkraft ist alles andere als nachhaltig und die Aufnahme in die Taxonomie ein großer Fehler“, sagte die Grünen-Politikerin der Deutschen Presse-Agentur. Die entsprechenden Pläne der EU-Kommission seien „absolut falsch“, erklärte Lemke.

„Die Fakten sind klar: Atomkraft ist eine Hochrisikotechnologie, wie Tschernobyl und Fukushima gezeigt haben. Weltweit existiert kein Endlager für hochradioaktiven Atommüll und wirtschaftlich ist Atomstrom unrentabel“, bekräftigte sie.

Auch Österreich hat bereits vor der Vorlage des Entwurfs lautstark gegen die Pläne protestiert. Umweltministerin Leonore Gewessler hat mit einer Klage gedroht, sollte die Taxonomie wie geplant umgesetzt werden.

Entgegen der bekannten Linie der deutschen Bundesregierung äußerte Lemke auch zum geplanten grünen Label für Gaskraftwerke deutliche Kritik. „Ich bin überzeugt, dass weder für Erdgas noch für Atomkraft die Einstufung als nachhaltig in der Taxonomie nötig ist“, sagte sie. Auch wenn Deutschland auf Erdgas für „einen kurzen Übergangszeitraum“ angewiesen sei, brauche es dafür kein Nachhaltigkeitssiegel auf EU-Ebene, erklärte sie. Die deutsche Bundesregierung hatte sich zuvor für die neue Einstufung für Gaskraftwerke auf EU-Ebene explizit eingesetzt und nur die geplante Klassifizierung von Atomkraft deutlich abgelehnt.

Mit der sogenannten Taxonomie will die EU-Kommission neu festlegen, welche Geldanlagen künftig als klimafreundlich gelten sollen. Dazu präsentierte sie am 31. Dezember kurz vor Mitternacht einen umstrittenen Entwurf, der vorsieht, dass Investitionen in neue Gas- und Atomkraftwerke unter bestimmten Voraussetzungen als nachhaltig eingestuft werden können.

Für Deutschland und die 26 weiteren EU-Staaten läuft an diesem Freitag um Mitternacht die Frist aus, um zum Vorschlag der EU-Kommission Stellung zu beziehen. Im Anschluss will die Kommission aus dem Entwurf einen offiziellen sogenannten delegierten Rechtsakt machen – und so den nächsten Schritt zur Umsetzung einleiten.

Umweltministerin Lemke warnte vor einer Beschädigung des EU-Labels als solches, sollte die Atomkraft künftig dazugehören. „Atomkraft als nachhaltig zu bezeichnen, ist nicht wissenschaftlich fundiert. Sollte die Einstufung kommen, würde die Taxonomie aus meiner Sicht damit beschädigt werden“, sagte Lemke.

Da sich auf EU-Ebene keine Mehrheit gegen die neuen Einstufungen abzeichnet, gilt deren Inkrafttreten bisher als wahrscheinlich.

Mehrere Umweltorganisationen haben an die deutsche Regierung appelliert, ihre Stellungnahme an die EU-Kommission offenzulegen. „Es geht hier um Transparenz bei wichtigen Entscheidungen über den Klima- und Umweltschutz. Andernfalls verspielt die amtierende Bundesregierung ihre Glaubwürdigkeit“, heißt es in dem gemeinsamen Appell, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.

Die Organisationen, darunter Campact, der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), die Deutsche Umwelthilfe und Greenpeace, kritisieren, dass die Bundesregierung die Inhalte ihrer Stellungnahme nicht transparent mache und fordern sie auf, dies schnellstmöglich zu tun.

Nach dpa-Informationen wollte das federführend zuständige Finanzministerium die Stellungnahme erst an diesem Freitag im Laufe des Tages übermitteln. Auf Anfrage verwies das Ministerium am Freitag auf die Äußerungen von Regierungssprecher Steffen Hebestreit von vergangenem Mittwoch, wonach sich die Stellungnahme noch in der Abstimmung innerhalb der Bundesregierung befinde.

APA/dpa

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