Trotz der derzeit instabilen politischen Lage setzt der Plan eines prominenten Energiekonsortiums auf grünen Wasserstoff, der über Pipelines aus der Westukraine kommen soll. Was genau ist die Strategie?
Bis 2030 soll Österreichs Strom bilanziell „grün“ sein, also zu 100 Prozent aus Wasser, Wind, Sonne und Co. kommen. „Bilanziell“ deshalb, weil nicht zu erwarten ist, dass auch in den Wintermonaten, wo zwar ein wenig mehr Wind, aber deutlich weniger Wasserkraft und Sonnenkraft vorhanden ist, ausreichend Strom im Inland verfügbar sein wird. Er muss also importiert werden. Woher?
Zum Beispiel aus Wasserstoff aus der Ukraine, der direkt verwendet oder in Strom umgewandelt werden kann.
„Wasserstoff aus erneuerbaren Energiequellen wird künftig in der Ukraine produziert, nach Zentraleuropa transportiert und dort für den saisonalen Bedarf gespeichert“, verspricht die RAG auf ihrer Homepage. Die RAG war einmal Österreichs Rohöl-Gewinnungs AG, inzwischen ist sie die viertgrößte Energiespeicherfirma Europas mit Sandsteinspeicher unter der Erde für etwa sechs Milliarden Kubikmeter Gas.
Das RAG-Ukraine-Projekt „H2EU+Store“ wurde im vergangenen Sommer präsentiert. Geplant ist einerseits, die notwendigen Kapazitäten für die erneuerbare Strom- und Wasserstoffproduktion in der Ukraine zu schaffen und andererseits, den Ausbau der Wasserstoff-Speicher in Österreich und Deutschland sowie Adaptierungen der bestehenden Gas-Pipelines. Diese führen von der Ukraine bis nach Zentraleuropa.
Die RAG ist inzwischen der zentrale Player in Sachen Wasserstoff als Energieträger. Das Thema ist natürlich alles andere als neu, Wasserstoff wird seit Jahrzehnten als die Möglichkeit für grüne Energie gesehen: Wenn Wasserstoff () mit Sauerstoff verbrennt, entsteht außer viel Energie nämlich nur reines Wasser.
Die Schwierigkeit liegt in der Produktion, die die Farbe des Wasserstoffs bestimmt: Der ist natürlich immer farblos – gemeint ist, dass etwa „grüner“ Wasserstoff aus Ökostrom (Wasser, Wind, Sonne) erzeugt wird, „grauer“ aus Erdgas, „brauner“ aus Kohlekraft oder „violetter“ Wasserstoff aus Atomkraft.
Es gibt aber einen konkreten Plan für grünen Wasserstoff: Die RAG möchte bis 2030 in der Westukraine, wo viel Platz ist, derart viele Windräder und Photovoltaik-Module installieren, dass sich riesige Elektrolyseure finanziell rechnen, die mit diesem Ökostrom aus Wasser dann grünen Wasserstoff (und Sauerstoff) machen. Der technische Nachteil: Es gibt hohe Umwandlungsverluste von etwa einem Drittel.
Bemerkenswert ist an dem Projekt auch, dass derzeit weniger als zehn Prozent Ökostrom im ukrainischen Strommix ist, der Rest stammt aus Kernkraft- und Erdgaskraftwerken. Problematisch bleibt auch das geopolitische Umfeld der Ukraine zwischen Russland und dem Westen.
Das ist der RAG sehr wohl bewusst, gegenüber dem KURIER verweist das Management aber darauf, dass Österreich seit bald 50 Jahren aus Osteuropa Energie importiert und eine gewisse Unsicherheit bei Energieimporten etwa beim Öl (aus Kasachstan) oder Erdgas (aus Russland) immer bestanden habe.
Woher importieren?
Alle EU-Staaten stellen sich die Frage, wie die Energiewende klappen kann. Es wird geforscht und von Osteuropa bis Nordafrika nach geeigneten Flächen für Wind- und Sonnenstrom gesucht. Beim Ukraine-Deal wäre ein Vorteil, dass die Infrastruktur samt Pipelines bereits vorhanden ist und für eine Umstellung auf Wasserstoff nur geringe Adaptierungen notwendig wären (Rohre sind geeignet, Ventile und Armaturen müssten getauscht werden).
Ab 2030 sollen die ersten Pipelines aus der Ukraine 100 Prozent Wasserstoff nach Österreich und nach Deutschland und Italien bringen.
Dafür soll bis 2025 soll in Gampern in Oberösterreich der weltweit erste reine Wasserstoff-Tiefspeicher entstehen. Bei den ersten Tests mit Wasserstoffspeichern in Pilsbach (bei Vöcklabruck) wurden die RAG-Mitarbeiter zudem überrascht: Der Wasserstoff verband sich mithilfe von Mikroben und CO₂ zu Methan, also Erdgas. Nur das dieser nicht mehr fossil ist, sondern „grün“. Genau dieses Prinzip soll nun ebenfalls weiter verfolgt werden.
Anwendungsmöglichkeiten für den Wasserstoff seien laut RAG-Management mannigfaltig: als rein saisonaler Energiespeicher, aber vor allem für industrielle Prozesse, etwa für die chemische Industrie, die Stahlindustrie, die Zementindustrie und für die Düngemittelindustrie, die Ammoniak (NH3) benötigt.
Ammoniak werde derzeit auch in Schiffsmotoren getestet. An Verwendung in Brennstoffzellen (in Pkw) glaubt man in der RAG nicht so ganz, schließlich ist das eine Jahrzehnte alte Technologie, die bisher nicht in die Gänge gekommen ist. Brennstoffzellen können Wasserstoff mit dem Sauerstoff in der Luft in Strom umwandeln, aus dem Auspuff der Pkw kommt dann nur mehr reines Wasser.
Und die Kosten? „Billig wird das nicht“, heißt es seitens der RAG, die ohnehin mit steigenden Energiepreisen in den kommenden Jahrzehnten rechnet. Das habe auch damit zu tun, dass die fossilen Energieträger nicht erst hergestellt, sondern nur „aus dem Lager“ in den Böden herausgeholt werden mussten. Langfristig dürften die Energiekosten drei Mal so hoch werden, es sei denn, CO₂-freie Energie wird künftig geringer besteuert.
Kurier