Das große Strompreis-Dilemma

28. Jänner 2022, Wien

Energiepreise. Strom dürfte laut Eco Austria dauerhaft teuer bleiben. Für die Klimawende ist das gut, für Industrie und Haushalte aber schmerzhaft. Die Politik ist gefordert, Härtefälle abzufedern, ohne dabei dem Klima zu schaden.

So billig wie vor der Krise wird Strom nicht mehr, zumindest nicht auf absehbare Zeit. Das geht aus einer Analyse von Eco Austria hervor. Demnach dürften die Energiepreise noch über Jahre hoch bleiben. Wie viel an Mehrkosten auf Haushalte und Betriebe zukommen, lässt sich zwar noch nicht mit Sicherheit abschätzen. Aber wenn sich die Preise im Großhandel so entwickeln, wie sich das Marktteilnehmer zurzeit erwarten, dann könnte Strom 2027 sogar doppelt so teuer sein wie vor Ausbruch der Coronakrise.


Stromverbrauchern in Österreich drohen jedenfalls bereits heuer rund 3,16 Milliarden mehr an Kosten als 2020 — was schon in etwa einer Verdoppelung entspricht. Nächstes Jahr würden die Kosten noch einmal um 1,7 Milliarden anwachsen. In den folgenden Jahren würden sie zwar wieder sinken, aber das Niveau von 2022 nicht mehr unterschreiten.


Eingepreiste Klimawende
Für die Prognose hat sich Eco Austria angesehen, zu welchen Preisen an den Terminmärkten künftige Stromlieferungen gehandelt werden. Energieversorger kaufen einen großen Teil des Stroms ja langfristig und zu Durchschnittspreisen ein, um sich gegen etwaige Preisschwankungen abzusichern. Sogenannte Future-Preise spiegeln nicht nur Markterwartungen wider, sondern auch Preise von morgen.


Und die tragen schon heute die Handschrift der Klimapolitik von morgen. Zumindest werden in der Analyse „dauerhaft hohe Kosten in der Stromproduktion“ im Zusammenhang mit „nationalen und internationalen Bestrebungen zur Reduktion des CO2-Ausstoßes“ als mögliche Erklärung für die hohen erwarteten Preise angegeben.


Die Politik steckt jedenfalls in einem Zielkonflikt. Auf der einen Seite ist der Preisanstieg willkommen. Ähnlich wie ein CO2-Preis haben hohe Energiepreise einen Lenkungseffekt. Aus Sicht der Umweltpolitik wird dadurch die notwendige Umstellung auf energieeffizientere Prozesse und Produkte beschleunigt, wie es in der Analyse heißt.
Allerdings könnten dauerhaft gestiegene Energiepreise die Inflation im Land weiter anheizen und das Wirtschaftswachstum dämpfen. Und zwar in beträchtlichem Ausmaß.


Was kann die Politik tun? Es sei sehr schwierig, einerseits die Kaufkraft der Haushalte zu erhalten, andererseits aber die — zur CO2-Reduktion gewünschte — Lenkungswirkung hoher Energiepreise nicht zu verlieren, sagt Monika Köppl-Turyna, Leiterin des Instituts.


Was tun?
Eco Austria formuliert mehrere Handlungsempfehlungen. Einkommensschwachen Haushalten würde demnach etwa eine Erhöhung des Heizkostenzuschusses etwas Entlastung bringen — sowie „ähnliche treffsichere Maßnahmen“, heißt es in dem Papier.


Bei Haushalten mit positiver Steuerschuld und bei Unternehmen könne man Abgaben senken, die die Einkommen der Haushalte bzw. die Kosten der Unternehmen beeinflussen. Auch die Abschaffung der kalten Progression würde Einkommen stützen, heißt es in dem Papier.


Auf keinen Fall solle man den CO2-Preis senken, sagt Köppl-Turyna. Fossile Energien sind einer der Haupttreiber des Klimawandels. Die Treibhausgasemissionen im Zusammenhang mit der Stromerzeugung verursachen weltweit hohe externe Kosten, zum Beispiel aufgrund von Extremwetterereignissen.


Insofern soll ein CO2-Preis für Kostenwahrheit sorgen, indem externe Kosten eingepreist werden. Je teurer fossile Energie, desto größer der Anreiz, Erneuerbare auszubauen. Da könnte man eher noch an eine weitere Erhöhung des CO2-Preises denken, so die Ökonomin.


Aber bei anderen, erdgas- und strombezogenen Lenkungsabgaben würden die hohen Strompreise Spielraum eröffnen. So könnte man Netzentgelte, Ökostrompauschale oder Ökostromförderungen überdenken, auch wenn das die Inflation steigern könnte.


Normalisierung beim Gaspreis
Beim Gaspreis prognostiziert Eco Austria mittelfristig eine Normalisierung. Die Terminmärkte schätzen die politisch bedingten Angebotsengpässe demnach als temporär ein, die Futures lassen auf eine Normalisierung ab 2024 hoffen. 2027 dürfte der Gaspreis im Großhandel in etwa auf dem Vorkrisenniveau liegen.
von Aloysius Widmann

Die Presse