Reform des EU-Gasmarktes ist gestartet

2. Feber 2022, Wien
Markt soll neu geordnet werden - Lubmin, APA/dpa

Auch in einigen Jahrzehnten wird es in Österreich und der EU Bedarf an gasförmigen Energieträgern geben – und die sollen durch mehr erneuerbare, kohlenstoffarme Gase und „grünen“ Wasserstoff besser für Umwelt und Klima werden. Mitte Dezember hat die EU-Kommission zur Reform des EU-Gasmarktes in Richtung Erneuerbare ein umfassendes Paket an Vorschlägen vorgelegt. Der Prozess bis zur Publikation im EU-Amtsblatt wird wohl länger als die übliche einjährige Mindestzeit dauern.

Grund für das Reformpaket ist, dass die EU-Kommission den bisherigen Rechtsrahmen für Gas als nicht ausreichend erachtet, um die Klimaziele zu erreichen, sondern Anpassungen und neue Vorgaben für nötig hält, sagte Markus Krug, Vize-Leiter der Abteilung Gas der Regulierungsbehörde E-Control, am Mittwoch in einem Webinar. Hintergrund ist der „Fit for 55“-Plan, da sich die EU verpflichtet hat, die Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent gegenüber 1990 zu senken.

Das EU-Dekarbonisierungspaket von 15. Dezember zielt darauf ab, die Entwicklung einer Wasserstoffinfrastruktur und einen dazugehörigen Markt zu ermöglichen sowie den Zugang von erneuerbaren und kohlenstoffarmen Gasen zum Gasnetz zu erleichtern. Zudem sollen die Netzplanung für Strom, Gas und Wasserstoff gefördert und die Versorgungssicherheit gestärkt werden.

Auch neue Definitionen für Gase bringt das Paket mit sich, wobei E-Control-Experte Krug es für „verwirrend“ hält, dass als „Natural Gas“ künftig außer Erdgas auch alle erneuerbaren und kohlenstoffarmen methanbasierten Gase bezeichnet werden sollen, also auch Biomethan. Das sei nämlich „entgegen dem allgemeinen Sprachgebrauch“. „Wo die EU-Kommission nur von Erdgas sprechen will, spricht sie von ‚Fossil Gas“, sagte Krug. „Gases“ als Oberbegriff sollen dann alle „Natural Gases“ und Wasserstoff umfassen.

Neu sei auch die Definition von „kohlenstoffarmen Gasen“, denn die müssten mindestens 70 Prozent Treibhausgasemissionen gegenüber fossilem Gas einsparen. Details dazu fehlen aber noch. Zu den neuen Bezeichnungen soll es auch ein Zertifizierungssystem für Wasserstoff sowie erneuerbare und kohlenstoffarme Gase geben. Das soll auch für importierte und nicht nur in Europa produzierte Gase gelten. Die verpflichtende Auszeichnung soll auch über den Ausgangsstoff des Gases und die regionale Herkunft informieren.

Bei den Konsumentenrechten orientiert sich die EU-Kommission etwa zum Anbieterwechsel-Prozess und dem Tarifkalkulator an den Regeln für Strom, „das wird 1:1 gespiegelt“, so Krug. Für Wasserstoff soll es grundlegende Verbraucherrechte geben, aber keine Maßnahmen zur Förderung der Nutzung im Retail-Markt.

Für die Entwicklung des Wasserstoff-Marktes sieht der EU-Plan bis inklusive 2030 eine Übergangsphase vor, in der eine gewisse Flexibilität gegeben sein soll. So sollen dann etwa auch noch Quersubventionen durch Erlöse aus dem Erdgasnetz in Richtung Wasserstoff möglich sein, danach nicht mehr. Im Zielsystem ab 2031 soll es einen regulierten Zugang geben, die Wasserstoff-Netzbetreiber müssen eigentumsrechtlich entflochten werden. Klare Entflechtungsregeln begrüßt man seitens der E-Control. Zudem soll es laut EU-Plan keine Entry-Exit-Tarife für die Wasserstoff-Netze an den Grenzkopplungspunkten geben – das Tarifverbot für grenzüberschreitende Wasserstoff-Transporte hält Krug für verfrüht -, sondern Ausgleichszahlungen über die Wasserstoff-Netzbetreiber. Für geschlossene Verteilernetze, sogenannte Wasserstoff-Cluster, sind Ausnahmen geplant.

Zur Erleichterung des Zugangs von erneuerbaren und kohlenstoffarmen Gasen zum bestehenden Gasnetz und damit zum Großhandelsmarkt von dezentral erzeugten erneuerbaren Gasen sollen Fernleitungs- und Verteilernetze effektiv in ein Entry-Exit-System und eine Bilanzierungszone integriert werden, sieht der EU-Plan vor. Als Beimischung sollen die Fernleitungsnetzbetreiber (FNB) an den Grenzkopplungspunkten bis zu 5 Prozent Wasserstoff-Beimischung akzeptieren müssen. Für die inländischen Netze der EU-Mitgliedsstaaten sind keine Obergrenzen festgelegt.

Die tarifäre Erleichterung des Zugangs zum Gasnetz für erneuerbare und kohlenstoffarme Gase sieht Entgeltbefreiungen bzw. Abschläge vor. So sollen neben den grenzüberschreitenden Tarifen auch die Tarife für die Einspeisung von Flüssigerdgas-Terminals (LNG) ins Netz wegfallen. Für Einspeisepunkte von Produktionsanlagen (z.B. Biomethan oder Wasserstoff) sowie an Einspeisepunkten von und Ausspeisepunkten zu Speicheranlagen sind 75 Prozent Ermäßigung geplant. Klar müsse sein, dass entgangene Erlöse von anderen Netzbenutzern erbracht werden müssen, kommentierte Krug dazu. Auch erscheine ihm die Abwicklung teils sehr aufwendig, denn es müsse eine Trennung der operativen Abwicklung der Gase geben.

Zur geplanten Änderung der EU-Gasversorgungssicherheits-Verordnung, die künftig auch auf erneuerbare und kohlenstoffarme Gase angewendet werden soll, meinte E-Control-Gasexpertin Karoline Narodoslawsky, dass die Netzentwicklung der Wasserstoff-Netze auf jeden Fall den Regulierungsbehörden unterliegen sollte. Zudem könnten wohl Importeure und Versorger eher zur Speicherung für die Versorgungssicherheit verpflichtet werden als die Fernnetzbetreiber. Der EU-Reformvorschlag zu dieser Verordnung sei im Kontext der hohen Energiepreise, der niedrigen Speicherstände und der geringen Importe erfolgt.

Normalerweise dauere ein EU-Gesetzgebungsverfahren im optimistischen Fall ein Jahr, im Falle des Gaspakets dürfte es wegen der Anzahl verschiedener Rechtsakte aber wohl länger dauern, so Narodoslawsky. Zunächst werden die Gesetzesvorschläge im EU-Rat von den EU-Ländern erörtert, zunächst auf Beamten-, dann auf Botschafterebene, ehe für die allgemeine Ausrichtung die EU-Energieminister befasst werden. Parallel diskutiert das Europaparlament das Paket. Am Ende steht ein informeller Trilog mit einem sogenannten 4-Spalten-Dokument: in der ersten findet sich der EU-Kommissionsvorschlag, in der zweiten der Ratsvorschlag, in der dritten der EU-Parlamentsvorschlag, die vierte ist zunächst leer, sie ist für den Kompromiss gedacht. Nach Annahme des Trilogergebnisses im Plenum des EU-Parlaments ist der Weg frei für eine Veröffentlichung im Amtsblatt der EU.

APA

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