Hoher Energieverbrauch als Klimagefahr

9. Feber 2022

Österreich verbraucht zu viel Energie. Um die Klimaziele zu erreichen, muss sie sparsamer eingesetzt werden. Doch das entsprechende Energieeffizienz-Gesetz lässt seit mehr als einem Jahr auf sich warten.

Klimaschutzministerin Leonore Gewessler kann auf eine veritable Erfolgsbilanz blicken. Der Ausbau der Erneuerbaren und die CO₂ -Bepreisung wurde unter der grünen Ministerin in Gesetzesform gegossen. Das Klimaticket wurde auf Schiene gebracht. Die Bahn wird ausgebaut. Der E-Auto-Anteil hat sich verdoppelt. Kein anderes EU-Land hat einen höheren Ökostromanteil.

Doch die Erfolgsbilanz hat einen Makel. In einem, aber einem sehr wichtigen Punkt, ist Gewessler säumig. Experten halten sie für eine wesentliche Säule zur Erreichung der Klimaneutralität: die Energieeffizienz.
In der öffentlichen Debatte wird von diesem Begriff kaum Notiz genommen. Das Wort ist sperrig und unsexy. Man könnte es mit Energiesparen übersetzen, aber auch das ist unpopulär. Noch sperriger ist aber das Wort Energieeffizienzgesetz. Das alte Gesetz lief Ende 2020 aus. Es war ein bürokratisches Monster und in vielen Bereichen selbst ineffizient. Doch ein neues Gesetz zum sparsamen Umgang mit Energie lässt immer noch auf sich warten. „Der Gesetzesentwurf zum Energieeffizienzgesetz ist zurzeit in der Abstimmung mit dem Koalitionspartner und kurz vor Begutachtung“, heißt es aus dem Klimaministerium zur „Wiener Zeitung“. Offenbar kommt man nicht voran. Im April 2021 gab es bereits eine ähnliche Antwort. Dem Vernehmen nach gebe es für das Gesetz in der türkis-grünen Koalition „unterschiedliche Begeisterung“.

Dabei ist der effiziente Einsatz von Energie zentral auf dem Weg zur Klimaneutralität. 78 Prozent Ökostromanteil ist schön und gut. Elektrizität macht aber nur rund ein Fünftel am Gesamtenergieverbrauch aus. Über 57 Prozent der heimischen Energie liefern noch immer Kohle, Öl und Gas.

Energieziel verfehlt

Das alte Gesetz sah zwei Ziele vor. Von 2015 bis 2020 soll Energie in Höhe von 310 Petajoule (PJ) eingespart werden. Dieses Ziel wurde erreicht. Das zweite Ziel betrifft den maximalen Endenergieverbrauch in Höhe von 1.050 PJ im Jahr 2020. Dieses Ziel wurde nicht erreicht. Zuletzt lag der Endenergieverbrauch in Österreich laut Energiebilanz der Statistik Austria für das Jahr 2020 bei 1053 PJ, 2019 bei 1.139 PJ. Zum Vergleich: Mit 1.000 Petajoule könnten alle Haushalte in Österreich viereinhalb Jahre lang ihre Gebäude beheizen und Warmwasser haben. Wie hoch der Verbrauch 2021 war, lässt sich noch nicht sagen. Vorläufige Zahlen liegen erst im Mai vor. Doch so viel steht fest: Die Corona-Krise verzerrt die Energiebilanz.

Warum ist aber nun Energieeffizienz so wichtig? Wenn in Zukunft immer mehr Elektroautos auf den Straßen unterwegs sind und Gebäude mit Wärmepumpen geheizt werden, wird der Strombedarf steigen. Auch in der Industrie wird Elektrizität fossile Energieträger langfristig ersetzen. Wärme, Verkehr und Industrie werden nach Strom lechzen. Der Ausbau der erneuerbaren Energien kann diesen Bedarf nicht decken. Deshalb muss der gesamte Energieverbrauch sinken. Experten zufolge muss er zumindest um ein Viertel reduziert werden, wenn Österreich bis 2040 klimaneutral sein will. „Je mehr wir es schaffen, den Energieverbrauch zu reduzieren, desto weniger erneuerbare Energie brauchen wir“, sagt die Umweltökonomin Sigrid Stagl von der Wirtschaftsuniversität Wien.

Es gibt unzählige Maßnahmen, um Energie zu sparen. Durch thermische Sanierung von Gebäuden oder die Umrüstung von Heizsystemen kann viel Energie eingespart werden. Eine andere Möglichkeit bietet die Sektorkopplung, bei der die Abwärme eines Kraftwerks oder eines Unternehmens direkt als Fernwärme genutzt werden kann. Überschüssige Energie aus Windrädern kann als grünen Wasserstoff gespeichert und bei Bedarf zurückgeholt werden.
Stagl sieht in der Energieeffizienz eine Win-win-Situation, weil Energie gespart wird und gleichzeitig etwas Gutes für die Umwelt getan wird. Doch mit der Effizienz taucht ein Problem auf. „Wenn Räume besser isoliert sind und die Heiztechnik effizienter, kostet es weniger, einen Quadratmeter zu heizen. Deshalb leistet man sich größere Wohnungen“, sagt die Umweltökonomin. In der Ökonomie spricht man vom „Rebound-Effekt“. 30 bis 40 Prozent der Effizienz würden durch diesen Effekt wieder aufgefressen.

Ursprünglich hat sich die EU das Ziel gesetzt, den Energieverbrauch bis 2030 um 32,5 Prozent zu reduzieren. Für Österreich bedeutet das, dass der Energieverbrauch jährlich um 0,8 Prozent sinken muss. Doch da die EU ihr Reduktionsziel für Treibhausgase von 40 auf 55 Prozent erhöht hat, müssen auch die Energieeffizienz-Ziele angepasst werden. „Im neuen Entwurf zur Energieeffizienz-Richtlinie findet sich ein Einsparungswert von 1,5 Prozent. Es laufen jedenfalls Gespräche mit dem Koalitionspartner über eine etwaige Anpassung des Ambitionsniveaus“, heißt es dazu aus dem Klimaministerium. Das Einsparungsziel entspricht damit knapp jenem, dass das Wifo 2021 in einer Studie vorgeschlagen hat: 1,6 Prozent jährliche Reduktion.

Unternehmen warten auf Gesetz

Energieintensive Unternehmen und Energieversorger hoffen, dass das Gesetz bald beschlossen wird. Sie sind dadurch rechtlich verpflichtet, Energie einzusparen. Seit einem Jahr hängen sie jedoch in der Luft. „Die EU-Richtlinie ist nur indirekt gültig. Wir brauchen eine nationale Gesetzgebung, sonst wissen wir als Branche nicht, mit welchen Maßnahmen Energieeffizienz umgesetzt werden soll“, sagt Robert Pichler, Obmann der Interessenvertretung der Energiedienstleister Deca zur „Wiener Zeitung“.

Das Gesetz könnte noch eine knifflige Materie werden. Im Parlament ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit notwendig. Die Regierung braucht also die Stimmen von SPÖ oder FPÖ.
Im Klimaministerium geht man davon aus, dass das Gesetz Anfang 2023 in Kraft treten kann. Für die Unternehmen heißt das: nochmal ein Jahr warten.

Viele Bereiche des Lebens werden in der nahen oder fernen Zukunft elektrifiziert – der Strombedarf wird steigen. Energie muss sparsamer eingesetzt werden.

von Michael Ortner

Wiener Zeitung

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