Österreicher planen Export von grünem Wasserstoff aus Chile

22. Feber 2022, Wien/Santiago de Chile
Aus Wind soll grüner Wasserstoff und Ammoniak produziert werden - Bordelum, APA/dpa

Der Windpark-Entwickler AustriaEnergy plant ab 2027 grünen Wasserstoff aus Chile zu exportieren. Die Österreicher, die zur Finanzierung des milliardenschweren Vorhabens den auf grüne Energien spezialisierten Investmentfonds Copenhagen Infrastructure Partners (CIP) an Bord geholt haben, betreten mit dem Plan eine neue Größenordnung. Und: „Bei den heutigen Erdgaspreisen sind wird zu hundert Prozent kompetitiv“, sagte AustriaEnergy-Chef Helmut Kantner im Gespräch mit der APA.

Die Frage werde, so Kantner, aber gar nicht sein, wie viel grüner Wasserstoff koste, sondern ob es genug gibt, um die Klimawende auf globaler Ebene zu schaffen. Wenn die Erderhitzung gestoppt werden soll, werde der Bedarf an grünem Wasserstoff und grünem Ammoniak enorm sein und neben Industrie auch Schiff- und Luftfahrt betreffen.

Selbst die Ernährung sei aufgrund des Kunstdüngers stark CO2-belastet. Die Landwirtschaft sei aktuell der größte Abnehmer von Ammoniak, so Kantner. „Also wir haben keine Zweifel, dass es dafür Abnehmer gibt.“ Mit jedem Zehntelgrad werde der Druck stärker.

Als konkretes Beispiel nannte Kantner Scania, der als erster Lkw-Hersteller in Europa CO2-freien Stahl verlangte und mit der Abnahme die Errichtung eines neuen Stahlwerks in Nordschweden, das CO2-freien Stahl herstellen wird, finanziert. Kantner selbst hat derzeit Vorverträge mit Abnehmern vorwiegend aus Asien.

Der Baubeginn der Anlage ist für 2025 geplant, der Probebetrieb soll vor Ende 2026 starten. „Dieses Wasserstoff-Projekt ist eine völlig neue Dimension für uns“, sowohl vom Investitionsvolumen als auch von der Ausdehnung, sagte Kantner. „Wir werden hier einen Windpark aufstellen, der sich in etwa über 35.000 Hektar erstreckt“. Bisherige Projekte von AustriaEnergy haben sich zwischen 100 und 300 Mio. Dollar bewegt.

Bei den nun veranschlagten 3 Mrd. Dollar (2,66 Mrd. Euro) kommt der Finanzierungspartner CIP ins Spiel. Die Aufstellung der Geldmittel liegt in den Händen der Dänen. Kantners Part ist der Windpark, an dem er seit rund zwei Jahren arbeitet, etwa mit Grundstückssicherungen und Vorbereitungen für die Umweltverträglichkeitsprüfung. Diese Vorarbeiten hätten dazu geführt, dass CIP nach einer Prüfung (Due Diligence) in das Joint Venture eingestiegen ist. Die Idee selbst sei vor drei Jahren entstanden, gemeinsam mit dem Unternehmen Ökowind, das unter anderem Windräder im Burgenland betreibt. Ökowind hat laut Kantner nun aber keine aktive Rolle mehr in dem Projekt.

Bei der in Südchile geplanten Anlage soll der von den Windrädern erzeugte Strom nicht ins Stromnetz eingespeist werden, sondern die Energie durch chemische Verfahren, zuerst zu Wasserstoff und dann weiter zu Ammoniak umgewandelt werden. „Wir erzeugen erneuerbaren Strom über einen großen Windpark, der wird in einer Elektrolyse in Wasserstoff umgewandelt und in einem Haber-Bosch-Verfahren zu Ammoniak“, erklärte Kantner. Die HNH-Anlage – HNH steht für die chemischen Formeln von Wasserstoff (H2) und Ammoniak (NH3) – wird ungefähr 12 Kilometer von der Küste entfernt stehen. „Das Ammoniak wird dann in einer Leitung zur Küste gepumpt und dort gelagert und verschifft.“

„Eine Erzeugung von Wasserstoff braucht eine andere Dimension, um in einen ökonomisch wirtschaftlichen Bereich zu kommen“, erläuterte Kantner. Eine der großen Herausforderungen bei einer Ammoniak-Produktion sei die konstante Auslastung der Anlage. „Die Fachleute bei uns im Haus als auch bei etlichen Zulieferern rechnen gerade, wie groß die Speicher sein müssen.“

Wind gebe es zwar zu sehr vielen Zeiten des Tages und zu sehr vielen Zeiten des Jahres, er schwanke allerdings. Von den Schwankungen sei abhängig, wie groß die elektrischen und chemischen Speicher dimensioniert werden müssen. „Wir werden auch einen Teil des erzeugten Wasserstoffes verwenden müssen, um diesen wieder zu verstromen, um die Anlage zumindest auf einer Minimallast zu halten.“ Für das Haber-Bosch-Verfahren brauche es darüber hinaus auch einen thermischen Speicher für Abwärme, um die Anlage auf einem gewissen Temperaturniveau zu halten, wenn es kaum Energie gibt.

Laut Kantner darf die Anlage auch nicht zu weit heruntergefahren werden. „Wenn man die Anlage nämlich über einen gewissen Bereich herunterfährt, kann man sie nicht in der gleichen Geschwindigkeit wie der Wind zunimmt hochfahren.“ Außerdem verkürze eine zu geringe Last die Lebensdauer bestimmter Komponenten. Mit den Speichern betrete man Neuland, denn derzeit würden weltweit alle Anlagen zur Ammoniaksynthese mit konstant zur Verfügung stehender fossiler Energie, konkret meist Erdgas, betrieben, so Kantner.

Aufgrund des hohen Erdgasbedarfs gilt das Haber-Bosch-Verfahren als extrem klimaschädlich. Die dabei erzeugten Kohlenstoffdioxidemissionen tragen rund drei bis fünf Prozent zum globalen CO2-Ausstoß bei und damit ähnlich viel wie die gesamte Luftfahrtbranche. Gleichzeitig ist das Haber-Bosch-Verfahren, sofern keine fossilen Energieträger zum Einsatz kommen, einer der Hoffnungsträger der Energiewende.

„Wir haben uns für Ammoniak entscheiden, weil wir hier große Anwendung weltweit sehen und weil es für den Ammoniak-Transport heute ein existierendes Logistiksystem gibt“, führte Kantner aus. Grüne Energie lasse sich in Form von Ammoniak gut speichern, lagern und verschiffen.

Ebenso wie Kantner und CIP treiben unter anderem auch Siemens und Porsche mit Fördergeld aus Deutschland unter dem Namen „Haru Oni“ einen Windkraftpark in der Region Magallanes voran. Die Deutschen planen jedoch, nicht Ammoniak, sondern E-Fuels für Sportwagen zu exportieren.

Chile sei für Südamerika vermutlich der einfachste große Markt, weil er politisch und wirtschaftlich stabile Rahmenbedingungen bietet, so Kantner. Chile zeichne aus, dass im nördlichsten Teil des Landes, in der Atacama-Wüste, eine sehr hohe Sonneneinstrahlung herrsche und in Südchile ganzjährig ein starker Wind blase.

Chile könne dank Wind und Sonne nicht nur seine letzten Kohlekraftwerke vom Netz nehmen, sondern sich mit grünem Wasserstoff in den nächsten eineinhalb Jahrzehnten auch ein zweites wirtschaftliches Standbein neben dem Kupferabbau schaffen. „Es gibt Optimisten, die davon sprechen, dass das für Chile eines Tages so wichtig sein könnte wie heute die Minenindustrie“, sagte Kantner. Chile ist der größte Kupferproduzent der Welt, die gesamte Volkswirtschaft derzeit aber entsprechend stark vom Kupferpreis abhängig.

Kantner entwickelt seit 2006 Energieprojekte, etwa in Spanien und Italien und seit 2013 in Chile und anderen südamerikanischen Ländern. Die A-Enviro Chile GmbH mit Sitz in Wien bündelt die dortigen Aktivitäten. Dessen Mutterfirma A – Enviro GmbH gehört Kantner zu 100 Prozent. In Österreich selbst hat Kantner trotz des Namens AustriaEnergy keine aktiven Geschäfte.

Der Finanzierungspartner CIP wiederum ist einer der weltweit größten spezialisierten Fondsmanager für nachhaltige Investitionen. Die Private-Equity-Firma verwaltet derzeit acht Fonds mit einem Volumen von rund 16 Mrd. Euro, unter anderem für rund 100 internationale Großanlegern. Das HNH-Projekt wird Teil des Energy Transition Fund von CIP sein, der sich unter anderem auf „Power-to-X“ konzentriert, um „die Dekarbonisierung von schwer abbaubaren Sektoren wie Landwirtschaft und Verkehr zu schaffen“, wie es heißt.

APA

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