Gas-Expertin: Keine Probleme für Haushaltskunden absehbar

24. Feber 2022, Wien
Für russisches Gas gibt es viele Routen nach Westen - Rust, APA/dpa

Selbst wenn der Ukraine-Krieg zu einem Ausfall der russischen Gaslieferungen nach West- und Mitteleuropa führen sollte, wird es „keine Probleme geben für die Haushaltskunden“ in Österreich, sagt die Leiterin der Gasabteilung der E-Control, Carola Millgramm. „Das ist schon absehbar“, sagte Millgramm am Donnerstag zur APA. „Wir wissen in der E-Control, dass es eine angespannte Situation ist, aber wir sind darauf vorbereitet.“

Die Gaslieferungen seien auch nach dem russischen Angriff auf die Ukraine nicht eingeschränkt, sagte Millgramm. Wenn es zu Einschränkungen käme, müssten das die OMV und auch die Pipelinebetreiber dem Energieregulator sofort melden. Das wären die Verbund-Tochter Gas Connect Austria (GCA) und die Trans Austria Gasleitung (TAG), die Erdgas von Baumgarten nach Italien transportiert.

Noch seien die Kämpfe in der Ukraine auf den Osten des Landes beschränkt und dort gebe es keine Transit-Pipelines, erklärte Millgramm. „Von den Gasexporten, die Gazprom nach Europa liefert, gehen eigentlich nur noch zehn Prozent der Mengen über die Ukraine“, erklärte die Expertin. „Zwei Drittel der Mengen werden über die Nord Stream I geliefert, das ist inzwischen die Hauptroute.“ Für Österreich sei die Transitroute über die Ukraine immer noch wichtig, aber auch Österreich bekomme Gas teilweise schon über die Ostsee-Pipeline Nord Stream I. „Das läuft dann über Deutschland und Tschechien und geht dann auch nach Baumgarten. Wir sind nicht mehr so hundertprozentig abhängig von dieser Ukraine-Route wie es 2009 noch war.“ Wie viel Gas Österreich über die Ukraine bekomme, könne man nicht exakt sagen.

Eine Beschädigung von Pipelines in der Ukraine würde man bei uns erst mit einer gewissen Verzögerung bemerken, denn die Gasrohre seien ja auch ein großer Speicher, erklärte die Expertin. „Das ist ganz anders als beim Strom, beim Strom haben wir das Problem dann sofort, das muss alles in der Sekunde funktionieren.“

Es gebe aber auch andere Transportrouten für russisches Gas, erklärte die E-Control-Expertin, etwa die Jamal-Gasleitung durch Weißrussland und Polen, die aber in den letzten Monaten nicht genutzt worden sei. „Für die Situation, wenn nur die Leitung in der Ukraine beschädigt ist, die Gazprom Export aber liefern will nach Europa, könnte sie auch die Jamal-Pipeline benutzen, da gibt es freie Transportkapazitäten.“ Darüber hinaus gebe es auch die TurkStream im Südosten, die über Serbien nach Ungarn führe. „Die Verträge könnte Gazprom auch erfüllen, wenn die Ukraine-Route beschädigt ist.“

Eine zusätzliche Gas-Bezugsquelle wäre auch LNG, also verflüssigtes Gas, das in Tankern transportiert wird. „Das ist ein in den letzten Jahren rasant gewachsener Markt. Da sind wir aber in Konkurrenz mit anderen Kontinenten, weil LNG auch von Südamerika, aber auch in Asien von Ländern wie China, Japan und Indien bezogen wird.“ In Südamerika sei derzeit aber Sommer, deshalb brauche man dort weniger LNG. Im Norden profitiere man derzeit vom warmen Wetter, „das sind ja keine Wintertemperaturen“. Außerdem sei man über die stärksten Verbrauchsmonate bereits hinweg. „Selbst mit den geringen Speichermengen, die wir jetzt noch haben, wird es keine Probleme geben für die Haushaltkunden, das ist einfach absehbar.“

„Was man natürlich nicht sagen kann ist, wenn sich diese Krise extrem ausweitet, was dann mit dem Industrieverbrauch ist. Da muss man abwarten, wie sich das weiter entwickelt.“

Nicht nur Europa sei von russischen Gaslieferungen abhängig, auch Russland sei auf die westlichen Länder als Abnehmer angewiesen. Russland habe selbst einen sehr hohen Eigenverbrauch an Gas, erklärte Millgramm. „Rund 650 Milliarden Kubikmeter produzieren sie, und zwei Drittel davon verbrauchen sie selber in Russland.“ Auch Russland wolle von Kohle auf Gas umsteigen. „Aber natürlich haben sie dann nicht so hohe Erlöse, wie wenn sie es nach Europa verkaufen – das gelte gerade jetzt, da das Preisniveau sehr hoch sei. Bei rein ökonomisch-rationaler Betrachtung sei daher nicht davon auszugehen, dass Gazprom die Gaslieferungen einstellen könnte.

Warum Gazprom im vergangenen Sommer weniger Gas auf den Großhandelsmärkten angeboten und auch die eigenen Speicher im Westen nicht gefüllt habe, wisse man nicht. So werde etwa der österreichische Speicher in Haidach zu zwei Dritteln von Gazprom Export genutzt, der sei aber im Sommer nicht gefüllt worden. „Sie haben alles dazu getan, dass der Preis auf einem stabilen hohen Niveau bleibt.“ Insgesamt wisse man sehr wenig darüber, was in Russland in der Öl- und Gasförderung passiere und ob z.B. die Pipelines modernisiert werden müssten – „wir haben viel zu wenig Daten darüber“.

APA