Photovoltaikanlagen erzeugen Strom. Auf landwirtschaftlichen Anbauflächen können sie gleichzeitig vor Hagel, Starkregen und Spätfrost schützen. An der Grazer Stadtgrenze wurde am Mittwoch in der Versuchsstation für Obst- und Weinbau des Landes Steiermark der Spatenstich für zwei sogenannte Agri-Photovoltaikanlagen (Agri-PV-Anlagen) gesetzt. Es sollen die Möglichkeiten dieser nachhaltigen Doppelnutzung von landwirtschaftlichen Flächen erprobt werden.
Solarenergie wird Schritt für Schritt wichtiger in der Energieversorgung. Die Photovoltaikflächen benötigen allerdings Stellflächen im Freiland. Das führt zu einer Flächenkonkurrenz von ohnehin knappen Ackerflächen und der Erzeugung von Ökostrom. Die Kombination aus Landwirtschaft und Photovoltaik in Form der Agri-PV-Technologie könnte Vorteile für beide Seiten bieten, hieß es am Mittwoch beim Spatenstich für so eine Anlage in der Versuchs- und Forschungsanstalt für Obst- und Weinbau Haidegg.
Auf einer Anbaufläche von rund 5.000 Quadratmetern werden in den kommenden Wochen rund 2.800 Quadratmeter Photovoltaikpaneele auf zwei Flächen aufgeteilt installiert: Sie sollen Strom erzeugen und die Obstkulturen vor Hagelschaden, Spätfrost und Starkregen schützen, berichtete Leonhard Steinbauer, Leiter der Versuchsstation. Nahrungsmittelproduktion und Energieproduktion finden somit auf einer Fläche statt.
„Durch eine effiziente Doppelnutzung können wir den Nutzungskonflikt bei landwirtschaftlichen Flächen entschärfen, wertvolle Böden erhalten und damit den Bodenverbrauch bremsen. Ziel des Projektes ist es, den eigenen Betrieb in Zukunft energieautark zu machen, die Kulturen vor Naturkatastrophen zu schützen, Energie ins öffentliche Netz einzuspeisen und einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten“, fasste es Agrarlandesrat Hans Seitinger (ÖVP) zusammen.
Es handelt sich um ein Leitprojekt des Klimafonds. Er finanziert die PV-Anlage mit ihren mehr als 1.100 Modulen zu einem Viertel, drei Viertel der Gesamtkosten von 650.000 Euro trägt das Land Steiermark. „Wir müssen sparsam mit Flächen, die von Mensch und Tier beansprucht werden, umgehen und gleichzeitig die Flächen für Sonnenenergienutzung ausbauen. Hier werden Obstkulturen geschützt und zugleich Energie aus Sonne nachhaltig generiert“, hob Umweltlandesrätin Ursula Lackner (SPÖ) hervor, die zudem von einem „echten Vorzeigeprojekt“ sprach.
Schutz für Obstkulturen und Energieproduktion
Die Umsetzung der Anlage, die neben ihrer Schutzfunktion für die Obstkulturen zugleich jährlich rund 385.000 Kilowattstunden Energie produzieren soll, erfolgt durch die Firma Ecowind aus Melk in Niederösterreich. Diese Energieausbeute entspreche dem jährlichen Stromverbrauch von 100 Haushalten, bzw. rund 8.000 Elektroauto-Aufladungen. Die Paneele sind miteinander durch Abdeckungen verbunden, die vollständigen Regenschutz bieten. Die speziell für den Agrarbereich angefertigten Module sind teilweise lichtdurchlässig, erklärte Geschäftsführer Johann Janker. Die sogenannten Zebramodule lassen rund 50 Prozent des einfallenden Lichts durch.
Die Versuche werden mit Apfel, Birne, Kirsche, Marille, Mirabelle, Pfirsich, Sauerkirche und Zwetschke angelegt, erläuterte Steinbauer. Die beiden Pilotanlagen in südwestlicher Hanglage wolle man nutzen, um zu erkennen, wie sich der anlagenspezifische Lichtverlust und zugleich Schattengewinn im Sommer auf die Obstsorten auswirken, welche Sorten damit besonders gut gedeihen, bzw. wie die Paneele eventuell auch an die Sorten angepasst werden können, schilderte der Leiter. Anhand praktischer Versuchsreihen sollen nähere Erkenntnisse über die Effizienz solcher Anlagen im Obstbau gewonnen werden.
Die Ständer für die Paneele sollen laut Steinbauer noch im März fertig montiert sein. Mitte Mai soll die gesamte Anlage stehen und auch schon die Bäume und Sträucher eingepflanzt sein. Über die elektrische Leistung der Anlage will man „in ein bis zwei Jahren“ eine Bilanz ziehen. Bis die neugepflanzten Bäume und Sträucher erstmals Früchte tragen, dauert es aber noch eine Weile. Hier will man in drei bis vier Jahren Ergebnisse präsentieren.
APA