Milliardenschwerer Exodus der Multis

3. März 2022

Öl und Gas. Westeuropäische Energiekonzerne ziehen sich angesichts der Ukraine-Krise aus Russland zurück. Die Sanktionen zwingen sie nicht dazu, wohl aber der politische Druck

Mehrere westliche Ölkonzerne ziehen sich aus Russland zurück. Den Paukenschlag setzte die britische BP mit der Ankündigung, ihre 19,75-Prozent-Beteiligung am staatlich kontrollierten russischen Ölkonzern Rosneft abzustoßen. BP-Chef Bernard Looney und sein Vorgänger Bob Dudley legten auch ihre Funktionen im Aufsichtsrat von Rosneft mit sofortiger Wirkung zurück. Der Schritt ist eine Zäsur für den Konzern, denn Rosneft hat etwa ein Drittel zur Öl- und Gasproduktion von BP beigetragen. Der Rückzug könnte den Konzern bis zu 22,4 Milliarden Euro kosten.
Auch Shell hat auf die Ukraine-Krise reagiert und gibt seine Gemeinschaftsunternehmen mit dem staatlich kontrollierten russischen Gazprom-Konzern und zugehörigen Firmen auf. Dazu gehört das Erdgasprojekt Sachalin, an dem der britisch-niederländische Konzern 27,5 Prozent hielt, sowie das Joint Venture Salym Petroleum. Insgesamt hat Shell 2,7 Mrd. Euro in russische Joint Ventures gesteckt. Auch bei der Ostseepipeline Nord Stream 2 erwartet Shell Abschreibungen – die Schweizer Eigentümergesellschaft hat alle Mitarbeiter entlassen meldete am Donnerstag Insolvenz an.

Der Dritte im Bunde war am Montagabend Equinor. Der staatlich kontrollierte norwegische Energiekonzern stoppt alle Investitionen in Russland und zieht sich aus sämtlichen Partnerschaften mit russischen Firmen zurück. Erst vergangenes Jahr hat Equinor 1,1 Mrd. Euro in Russland investiert. Am Dienstag erklärte der französische Energiekonzern Total, kein Geld in neue Projekte in Russland zu investieren. Zu seiner Beteiligung am Gasförderer Novatek äußerte sich Total nicht.

Politischer Druck

Alle vier Unternehmen bezeichneten ihre Entscheidung als Reaktion auf den Einmarsch Russlands in der Ukraine. Equinor-Chef Anders Opedal erklärte, der Konzern sei „zutiefst erschüttert“, und Shell-Chef Ben van Beurden sprach von einer Entscheidung aus Überzeugung: „Wir können – und werden – nicht tatenlos zusehen.“
In Frankreich kam die Ansage direkt aus der Politik. „Es gibt von nun an ein grundsätzliches Problem dabei, mit jeglicher Persönlichkeit aus Politik oder Wirtschaft zusammenzuarbeiten, die der russischen Macht nahe steht“, sagte Wirtschaftsminister Bruno Le Maire. Politischer Druck dürfte auch für die Entscheidung bei BP ausschlaggebend gewesen sein. Das Russland-Engagement war zuletzt sehr lukrativ für den Konzern, die Ankündigung erfolgte nur zwei Tage nach einem Termin von Looney bei Wirtschaftsminister Kwasi Kwarteng.

Verpflichtet sind die Firmen dazu bisher nicht. Das wirtschaftliche Kalkül stellt sich vermutlich bei jedem Konzern anders dar. Mit dem Rückzug aus Russland verschwinden neben den Risiken etwa auch die CO₂-Emissionen der Förderungen. Dadurch lassen sich Klimaziele zumindest auf

OMV bewertet

Von ähnlich konkreten Schritten ist bei der österreichischen OMV bisher keine Rede. Auf Anfrage des KURIER heißt es, die Situation werde „kontinuierlich analysiert und bewertet“. Die OMV ist mit knapp 25 Prozent an einem Gasfeld der Gazprom in Sibirien beteiligt und Finanzierungspartner der Pipeline Nord Stream 2. Auch im mit Russland verbündeten Kasachstan fördert der Konzern Öl und Gas. Zudem besteht seit 1968 ein Gas-Liefervertrag, der noch bis 2040 läuft. Dem Vernehmen nach will der seit September 2021 tätige Konzernchef Alfred Stern den Fokus weniger stark auf Russland legen. Die geplante Beteiligung an einem weiteren sibirischen Gasfeld soll gekippt werden (der KURIER berichtete).

Kurier