Papierindustrie: Gas-Importstopp „wäre Worst Case“

24. März 2022, Wien
Ohne Gas kein Klopapier - , APA/AFP

Österreichs Papierindustrie leidet massiv unter den stark gestiegenen Energiepreisen. Die steirische Papierfabrik Norske Skog in Bruck/Mur musste sogar ihre Produktion drosseln, weil sie sich das Gas nicht mehr leisten konnte. Zur Entlastung fordert die Branche nun eine Rückerstattung der CO2-Kosten. Ein Gas-Importstopp aus Russland wäre der „Worst Case“ mit dramatischen Auswirkungen weit über die Papierindustrie hinaus, warnt Max Oberhumer, CEO von Sappi Gratkorn.

„Wenn wir unsere Fabriken abstellen müssen, dann ist nicht nur die Fernwärmelieferung nicht mehr möglich, sondern es gibt auch keine Produkte mehr, die wir erzeugen“, erklärte Oberhumer am Mittwochnachmittag bei einem Online-Pressebriefing. „Das hat auf viele Lieferketten gravierende Auswirkungen und es würde eine gewaltige Welle an Kurzarbeitsnotwendigkeit auslösen.“ Ohne Schreibpapier könnte man vielleicht eine Zeit lang überdauern, meinte Kurt Maier, CEO der Heinzel Group und Präsident des Branchenverbandes Austropapier. Aber auch die Versorgung mit Hygieneartikeln wie Windeln oder Klopapier in Papier verpackten Lebensmitteln und Medikamenten sowie Zeitungen und Magazinen würde zum Erliegen kommen.

Außerdem versorgen die Papierproduzenten mit der selbst erzeugten Energie neben der eigenen Produktion auch Gebäude in der Umgebung. Diese ausgekoppelte Energie entspricht dem Strom- und Wärmebedarf von 100.000 Haushalten.

Das Anlegen von Erdgas-Vorräten sei bisher für die Industrie nicht üblich gewesen, sagte Oberhumer. „Im Falle einer Energielenkung, wenn also die Regierung die Notwendigkeit hat, die noch verfügbaren Energieströme – in diesem Fall Gas – zu lenken, nach den Gesichtspunkten, die sozialpolitisches Vorgehen erfordern, dann muss für den Fall, dass in Zukunft die Industrie Gas selber einspeichert, sichergestellt sein, dass dieses Gas für die Industrie auch verfügbar bleibt.“ Das von der Industrie eingespeicherte Gas dürfte also im Notfall nicht enteignet werden.

Die energieintensiven Unternehmen der Papierindustrie zahlen laut Branchenverband derzeit bis zu zehnmal so viel für Strom und Gas als noch im Vorjahr. Trotz ihres schon sechzigprozentigen Anteils von erneuerbaren Energieträgern sei die Papierindustrie noch immer stark von Gas abhängig. „Die kurzfristige Ausweichmöglichkeit ist limitiert“, erklärte Oberhumer. „Es gibt ein paar andere Möglichkeiten, Gasbrennstoff zu erzeugen, aus Biogasanlagen usw., das ist aber mengenmäßig nicht vergleichbar. Das heißt, kurzfristig ist es technologisch nicht möglich, Gas durch einen anderen Brennstoff zu ersetzen.“

Bei Norske Skog in Bruck an der Mur hatte das schon drastische Folgen. „Angesichts der extrem volatilen Energiepreise – insbesondere bei Erdgas, die Schwankungsbreite reichte da bis zum Zehnfachen des langjährigen Durchschnitts – waren wir in den vergangenen Wochen gezwungen, kurzfristig die Produktion einzustellen“, berichtete CEO Enzo Zadra. Inzwischen hätten sich die Preise stabilisiert, wenn auch einem sehr hohen Niveau, daher fahre man die Produktion nun schrittweise wieder hoch. „Am Montag haben wir eine Produktionsanlage wieder in Betrieb genommen.“ Im Laufe der Woche werde man beide Produktionsanlagen wieder hochgefahren haben.

Von den seitens der Regierung angekündigten Kostenentlastungen ist man in der Branche nicht sehr beeindruckt. „Die einzige Maßnahme, die uns bisher wirklich etwas bringt, ist die Aussetzung der Ökostromförderkosten. Alle anderen – wie die Senkung der Energieabgaben – sorgen zwar für zusätzliche Liquidität, sind aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein“, sagt Oberhumer und fordert weitere Entlastungen, etwa eine rasche Umsetzung der indirekten CO2-Kostenkompensation. „Das würde bedeuten, dass energieintensive Unternehmen die von Stromlieferanten eingepreisten CO2-Kosten rückerstattet bekommen.“ Das sei von der EU längst genehmigt, viele Staaten, darunter auch Deutschland, Frankreich und Italien, würden bereits davon Gebrauch machen. Eine weitere Möglichkeit, die Dekarbonisierung der Industrie voranzutreiben, sieht Oberhumer in der Zweckwidmung der CO2-Erlöse für Dekarbonisierungsprojekte der Industrie.

APA

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