Mögliche Gas-Ausfälle: Wie gut ist Österreich gerüstet?

31. März 2022

Russisches Gas. Nach Deutschland hat nun auch Österreich das Frühwarnsystem des Notfallplans zur Gasversorgung aktiviert. Scharf kritisiert wird das Krisenmanagement der Regierung von der Lebensmittelindustrie

Die Frühwarnstufe im Notfallplan Gas ist aktiviert. Mit dieser Meldung der deutschen Bundesregierung machte sich gestern Nervosität breit, auch in Österreich. Denn: Was bedeutet das jetzt? Wie gut ist Österreich auf mögliche Gasausfälle vorbereitet? Und wo gehen die Lichter zuerst aus, wenn das russische Gas wirklich ausbleibt?

Speicherstand

Am späteren Nachmittag hat die österreichische Bundesregierung gemeinsam mit der Regulierungsbehörde E-Control es dann der deutschen gleichgetan und die Frühwarnstufe des rot-weiß-roten Notfallplans ausgerufen. Der ist aber in seiner Ausgestaltung ähnlich unpräzise wie der deutsche – konkrete Szenarien im Fall eines Gasstopps enthält er nämlich nicht. Aber die Info: Aktuell sind die Gas-Speicher in Österreich zu rund 13 Prozent gefüllt.

Drei Stufen

Der heimische Notfallplan beinhaltet drei Stufen: Eine Frühwarnstufe, in der sehr genau die Situation am Gasmarkt überwacht wird. Die zweite, Alarmstufe, tritt in Kraft, wenn sich die Versorgungslage mit Gas verschlechtert. Hier kommt es noch nicht zu Eingriffen des Staates, aber zu Aufforderungen an die Industrie, Alternativen zu suchen. Stufe drei ist die Notfallstufe. Gas wird in dieser nicht mehr geliefert, Lenkungsmaßnahmen sind möglich. Grund dafür ist die Ankündigung des russischen Präsidenten Wladimir Putin, für Gaslieferungen in den Westen nur noch Rubel und nicht wie bisher Euro oder Dollar als Zahlungsmittel zu akzeptieren. Auch wenn der Kreml-Chef gegenüber dem deutschen Kanzler Olaf Scholz meinte, dass eine Umstellung auf Rubelzahlungen zu keinem Nachteil führen würden – im schlimmsten Fall heißt das: keine Gaslieferungen mehr.

Passiert das, tritt ein Energielenkungsfall ein. Wie genau die Szenarien aussehen, entscheidet in Österreich die Grüne Ministerin Leonore Gewessler, zuständig für unter anderem Energie, Klima und Umwelt, per Verordnung. „Die Verordnung ist fertig und liegt in der Schublade“, sagt eine Sprecherin auf Nachfrage des KURIER. Diese Verordnung würde unter anderem der Regulierungsbehörde E-Control große Befugnisse einräumen, Maßnahmen zu setzen. Die Verordnung regelt aber nicht, welche Unternehmen in welcher Reihenfolge auf Gas verzichten müssten. „Da bräuchte man unzählige Verordnungen.“ Denn der Verbrauch der Betriebe sei nicht immer gleich. Die Entscheidung im Ernstfall liege bei der E-Control in Abstimmung mit dem Ministerium.

Man beobachte ohnehin seit Beginn der Ukraine-Krise die Situation sehr genau, sagt Carola Millgramm, Leiterin der Abteilung Gas bei der Regulierungsbehörde E-Control, dem KURIER.

Die gesetzliche Basis für die angesprochene Verordnung ist das Energielenkungsgesetz. In diesem ist etwa definiert, wer als Großabnehmer von Gas gilt – nämlich Industriebetriebe ab einem Verbrauch von mehr als 50 Megawattstunden. Sie sind die ersten, bei denen Gas rationiert würde. Hier sind Eskalationsstufen festgeschrieben, die den Notfallplan-Stufen ähneln. Geschützt von einer reduzierten oder eingestellten Versorgung mit Gas sind private Haushalte. Bei der E-Control analysiere man die Gasflüsse und Speicherstände im engen Austausch mit Ministerium und weiteren Stakeholdern täglich, wie Millgramm sagt. „Österreich ist wirklich gut vorbereitet.“

Verärgert zeigte sich die österreichische Lebensmittelindustrie. Die sieht sich nicht in Notfallpläne eingebunden. Und das, obwohl die Branche als versorgungs- und systemrelevant eingestuft wurde und viele Prozesse energieintensiv und von Gas abhängig sind. „Die Branche benötigt rund 3,5 Terawattstunden pro Jahr. Gas als Energieträger für die Produktion kann nicht rasch ersetzt werden, vielmehr ist eine konstante Belieferung für Koch-, Back-, Kühl- oder Abfüllprozesse in der Lebensmittelproduktion unerlässlich“, appellierte die Branche kürzlich.

Harsche Kritik

Eine Antwort sei bisher ausgeblieben. „Das Klimaministerium behauptet zwar, einen Notfallplan zu haben, gibt diesen aber nicht weiter“, ärgert sich Josef Domschitz, Geschäftsführer des Fachverbandes. Er bezweifelt mittlerweile, dass es überhaupt so einen Krisenplan gibt. „Man hat uns mündlich versichert, dass im Fall einer Gaskrise das ’Brot vor Stahl’ kommen soll, aber wie genau die Szenarien tatsächlich aussehen und was wann passiert, wird nicht verraten.“ Die Lebensmittelindustrie sei in die Erarbeitung von Krisenszenarien eingebunden, so die Sprecherin von Gewessler – die Betriebe könnten aber auch direkt Rücksprache mit der E-Control halten.

Viele große Versorger haben heuer bereits ihre Energiepreise erhöht. Der Verbund etwa hebt mit 1. Mai die Strom- und Gastarife an. Für Endverbraucher mit normalem Energieverbrauch erhöhen sich die monatlichen Energiekosten bei einer jährlichen Belieferungsmenge von 15.000 kWh Gas um circa 75 Euro.

Kurier

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