Ohne russisches Gas brechen die Lieferketten

31. März 2022

Industrie. IV OÖ-Präsident Axel Greiner ist für die Energiewende, sieht aber kurzfristig bis mittelfristig wenig Spielraum, sich vom russischen Gas unabhängiger zu machen und kritisiert die Sonntagsreden der EU-Politik.

Die Auswirkungen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine werden für die heimische Industrie zu einer immer größeren Herausforderung. Was sich da gerade an Problemen auftürmt, „das toppt die zwei Jahre Coronapandemie“, sagt der Präsident der Industriellenvereinigung Oberösterreich, Axel Greiner, der die „brutale und rücksichtslose Aggression Putins“ aufs Schärfste verurteilt.

Zwei Effekte sind für Oberösterreichs Industriebetriebe massiv. Einerseits ist es der Krieg in der Ukraine selbst. „Dabei geht es nicht ums Exportvolumen, das wir im Außenhandel verlieren, sondern um den Abbruch der Lieferketten“, sagt Greiner. „Dadurch gehen uns einzelne kritische Komponenten und Vormaterialien verloren.“ Der Kabelbaum Cluster in der Ukraine „führt bei etliche Automobilhersteller zu erheblichen Problemen.“ Neben der Autoindustrie hänge auch die Nahrungsmittelindustrie direkt an der Ukraine. Es geht auch um ukrainische Eisenerzlieferungen. „Da werden uns Lieferanten definitiv fehlen.“

Das zweite Problem für die Wirtschaft sind die über Russland verhängten Sanktionen: Sie schneiden Lieferanten im Rohstoffbereich ab. „Das Fehlen von etlichen Grundstoffen wird zu Produktionsausfällen führen“, betont Greiner.
Die Drohgebärden ums russische Gas sieht der IV-Oberösterreich-Präsident als „Gleichgewicht des Schreckens“: Putin brauche die Gas-Einnahmen für seine Wirtschaft genauso, wie Europa Gas für seine Wirtschaft brauche. Der Gas-Poker ist brandgefährlich: „Wenn kein russisches Gas fließt, brechen die Lieferketten in Europa. Das bedeutet für die österreichische und deutsche Industrie eventuell Stillstand“, betont Greiner. „Denn die Mengen an russischem Gas sind so kurzfristig und schnell, wie das in den Sonntagsreden der EU-Politiker klingt, nicht zu ersetzen.“

Immerhin ist Österreich zu 80 Prozent vom russischen Gas abhängig. Mit der Politik geht er jedoch in einem Punkt d’accord: „Wir müssen alles daransetzen, die Gas-Abhängigkeit zu reduzieren und die Energiewende voranzutreiben“, sagt Greiner. „Erste Effekte, wenn man es will und nicht Bauvorhaben verhindert, könnten in fünf Jahren spürbar sein.“
Kurzfristig gehe nichts, kontert der Präsident auf die Träume der Politiker. Weder gebe es auf der Westseite Europas die Verteilnetze, noch sei der Umstieg vom russischem Gas auf Flüssigerdgas (LNG) von heute auf morgen möglich: Denn es gäbe nicht ausreichend LNG-Schiffe und -Terminals, um das russische Gas mit LNG zu kompensieren. Allein Österreich würde, um seine Gasmengen aus Russland zu ersetzen, laut Greiner im Jahr die Ladungen von 100 LNG-Tankern benötigen —, wobei es auf den Weltmeeren derzeit erst 140 solcher LNG-Tanker gibt.

Überhaupt ärgert sich Greiner über die Weltfremdheit der EU-Politiker, die die „Wirtschaftsverflechtungen nicht überblicken“ und deren Doppelmoral: In der Energie-Not sind für die EU-Politiker plötzlich der Iran und Venezuela mögliche Lieferanten. „Für dieselben Politiker, die der Industrie Lieferkettengesetze aufs Auge gedrückt haben, worin steht, was alles nicht moralisch, ethisch und sozial in Ordnung ist“, so der IV OÖ-Präsident. „Wir bekommen die Fesseln angelegt und die EU überlegt, mit Despoten Geschäfte zu machen.“

Oberösterreichs IV-Mitgliedsbetriebe sind laut Greiner „alarmiert über die Situation. Einige rechnen mit einer handfesten Stagflation.“ Auch weil Österreich ein Land „mit derart hohen Energiepreisen“ sei. Der Gaspreis ist bei uns fünf bis zehnmal so hoch wie in den USA. „Diesen Wettbewerbsnachteil kann man nicht mehr mit Effizienz ausgleichen“, ärgert sich Greiner in der Krise über die österreichische Politik: „Umweltministerin Gewessler ist keine ‚Grüne Realo‘ wie ihr deutsches Pendant. Für sie zählt Realität — die Auswirkung auf Arbeitsplätze und Wohlstand — nicht, sondern offensichtlich nur Ideologie für die Rettung der Welt.“

Die Presse

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