Der neue Bericht des Weltklimarats ist besonders wichtig: Er zeigt, wie wir die CO2-Emissionen senken und die Erwärmung eindämmen können.
Es ist Zeit für eine Notbremse: Die Abhängigkeit von (russischem) Gas kommt nicht nur Europa teuer zu stehen, sondern auch das Klima. Dabei liegen die Antworten für einen Weg aus der Krise längst auf dem Tisch. Umfangreiche wissenschaftliche Berichte zeigen die notwendigen Strategien auf – so auch der am Montag veröffentlichte Teilreport des Weltklimarats (IPCC) zur Minderung des Klimawandels.
Der Bericht liefert zunächst den erwarteten Dämpfer. Bei der Einschätzung, ob wir uns gerade auf einem guten Weg im Sinne des Pariser Klimaabkommens befinden, lautet die Antwort: Nein. Umso dringender ist es den Fachleuten zufolge, Klimapolitik auf Platz eins der Agenda zu setzen und nicht bei jeder anderen akuten Krise das Ruder zulasten des Klimas herumzureißen. Denn eine nachhaltige Emissionsminderung in allen wirtschaftlichen Bereichen kann auch zur Lösung anderer gesellschaftlicher Probleme beitragen.
Nicht von ungefähr dürften auch gewisse Parallelen auftauchen, die an die Eindämmung der Corona-Pandemie erinnern. Der Imperativ „flatten the curve“, der zum Senken der Infektionszahlkurve aufruft, wird dann zu „flatten the climate curve“: Noch immer steigende Emissionen und globale Durchschnittstemperaturen müssen gedrückt werden.
„Bei den Wegen in eine Welt, die die Klimaziele von Paris nicht gefährdet, sind die nächsten Jahre entscheidend“, formulierte es Sabine Fuss, Professorin für nachhaltiges Ressourcenmanagement an der Humboldt-Universität Berlin. Es geht zwar nicht wie bei Covid-19 um entscheidende Wochen, doch je länger massive Veränderungen hinausgezögert oder kurzfristig rückgängig gemacht werden, umso verheerender können die Konsequenzen ausfallen.
Die Prognosen im IPCC-Bericht zeichnen unterschiedliche Pfade, je nachdem, wie die Klimapolitik weltweit gestaltet wird. Mit den bisher implementierten Maßnahmen würde die Treibhausgaskonzentration weiter steigen. Werden die auf der vergangenen Klimakonferenz angekündigten Klimaziele bis 2030 von den einzelnen Staaten eingehalten, würde die Emissionen bis zu diesem Datum moderat, aber nicht ausreichend sinken. Umso stärker müsste man in den darauffolgenden Jahrzehnten zurückrudern. Wesentlich flacher fiele die Kurve aus, wenn Regierungen weltweit unmittelbar Maßnahmen implementieren, um Emissionen zu senken.
Was wäre dafür notwendig?
- Raus aus den Fossilen
Die Energiegewinnung aus Kohle, Öl und Gas hat keine Zukunft. Die Ressourcen sind nicht nur begrenzt vorhanden und haben daher ein Ablaufdatum, sie verursachen auch immer höhere Kosten und tragen natürlich massiv zum Treibhauseffekt bei. Der Temperaturanstieg kann mit den vorhandenen Technologien zumindest theoretisch noch auf 1,5 Grad Celsius begrenzt und damit die Erderhitzung eingedämmt werden. Bestehende fossile Kraftwerke müssen deshalb vorzeitig eingestellt werden. Wichtig ist eine schnelle Wende zu erneuerbaren Energieträgern. - Subventionen umlenken
Damit die notwendigen Veränderungen umgesetzt werden können, müssen staatliche Subventionen umgelenkt werden. Denn allein diese Umverteilung von Geld würde die Energiewende merklich begünstigen. Wenn klimaschädliche Finanzspritzen wegfallen, könnte das die Treibhausgase weltweit um bis zu zehn Prozent senken. Neue Subventionen für fossile Energie sind kontraproduktiv und langfristig teuer. Stattdessen müssten erneuerbare Energien wie Wind- und Wasserkraft gefördert werden, verdeutlichen die Studien. „Die Abschaffung von fossilen Subventionen würde Emissionen reduzieren, öffentliche Einnahmen und die gesamtwirtschaftliche Entwicklung verbessern und Vorteile für Umwelt und eine nachhaltige Entwicklung bringen“, heißt es in dem Bericht. - Weniger verbrauchen
Eindeutig ist auch, dass wir die Energie effizienter nutzen und weniger verbrauchen müssen. In Sachen kohlenstoffarme Technologien gibt es gute Neuigkeiten zu verzeichnen: Seit dem vorigen Sachstandsbericht 2014 ist die Weiterentwicklung erneuerbarer Methoden schneller als von den Fachleuten erwartet vorangeschritten. Erneuerbare Energien sind deutlich günstiger geworden. - Ökosysteme schützen
Weniger Treibhausgase müssen in der Luft landen – aber andererseits gibt es auch Möglichkeiten, CO2 wieder aus der Atmosphäre zu holen. Die bewährteste davon benötigt keine ausgetüftelten Technologien, sehr wohl aber Schutz: Bäume wandeln bei der Photosynthese Kohlenstoffdioxid und Wasser mithilfe von Licht um in Sauerstoff und Glukose – die sie als Energiequelle und für den Aufbau neuer Strukturen nutzen und damit dem Kohlenstoffkreislauf entnehmen. Deshalb ist es so wichtig, bestehende Wälder zu schützen, die Rodung zu vermeiden und neuen Wald aufzuforsten. Aber auch Moore und andere Landschaftsformen speichern Kohlenstoff ein. - Weniger Verbrenner
Das größte Potenzial zur Dekarbonisierung des Verkehrssektors sieht der Weltklimarat in der Umstellung auf Elektromobilität – das gilt natürlich nur, wenn der Strom auch klimafreundlich produziert wurde. Andere Antriebsarten wie Biosprit, Wasserstoff und E-Fuels werden die Mobilitätswende wohl unterstützen, sind aber noch nicht sehr wirtschaftlich und müssen daher weiter erforscht werden. Am besten für das Klima ist es allerdings, möglichst wenig zu fliegen – und wenig mit dem Auto zu fahren. Hier sieht der Weltklimarat vor allem wachsende Städte als Chance. Dort hätten Regierungen die Möglichkeit, sie „menschenzentriert“ zu gestalten, soll heißen: fußgänger- und fahrradfreundlich, wenig zersiedelt und mit kurzen Distanzen – etwa zum Arbeitsplatz. - Mehr Pflanzliches auf dem Teller
Bis zu ein Drittel aller Treibhausgasemissionen entsteht in der Landwirtschaft. Im Gegensatz zu jenen aus der Energieerzeugung oder dem Verkehr lassen sich diese eher schwierig reduzieren. Doch würde weniger Fleisch auf den Tellern landen, müssten weniger Tiere gehalten und gefüttert werden. Dadurch würden Agrarflächen frei, auf denen derzeit Futter angebaut wird, was wiederum die Ernährung der Weltbevölkerung erleichtern würde. Wichtig ist auch, dass die Lebensmittelverschwendung eingedämmt wird. Für all diese Veränderungen sind nicht nur persönliche Entscheidungen nötig, sondern vor allem Anreize aus Politik und Wirtschaft. - CO2 aus der Luft holen
Nicht nur Pflanzen und Mikroorganismen können der Atmosphäre CO2 entziehen und so für Negativemissionen sorgen. Es gibt bereits Technologien, die der Luft Kohlenstoffverbindungen entnehmen und umwandeln. Damit die Stoffe nicht mehr den Treibhauseffekt befeuern, dürfen sie nicht weitergenutzt werden, sondern müssen in einem Lager landen. Diese Technologien sind jedoch umstritten. Es wird etwa kritisch hinterfragt, ob solche Anlagen effizient genug sind. Ganz lassen sich jene Technologien aber nicht vermeiden – dafür sind unsere Emissionen aktuell zu hoch. Gefährlich wäre es aber, sich komplett auf diese Methoden zu verlassen. Denn dass wir den CO2-Ausstoß drastisch zurückschrauben müssen, lässt sich auf keinen Fall vermeiden.
Der Standard