Höhere Zinsen können Energiepreise drücken

6. April 2022, Berlin

Zinserhöhungen durch die Europäische Zentralbank (EZB) können einer Studie zufolge die Energiepreise drücken. Diese dürften um bis zu 4 Prozent fallen, geht aus der Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) hervor. Grund dafür ist die durch steigende Zinsen erwartete Euro-Aufwertung. Dadurch würden die Preise für in Dollar gehandelte Ölprodukte reduziert. Die Industrieproduktion würde allerdings ausgebremst und die Arbeitslosigkeit steigen.

„Die vorliegenden Berechnungen haben gezeigt, dass eine straffere Geldpolitik durchaus auch eine signifikante Wirkung auf die Energiepreise hat“, so das Fazit der DIW-Forscher Alexander Kriwoluzky, Gökhan Ider und Frederik Kurcz. Zwar beeinflusse die EZB mit ihrer Zinsentscheidung nicht wesentlich den Preis auf dem Weltmarkt, dafür aber den Wert des Euro. „Wertet der Euro auf, sinken die Verbraucherpreise für Kraftstoffe und Heizkosten in Deutschland signifikant“, so die Experten. Mit einer Zinserhöhung hätte die EZB demnach theoretisch ein wirkungsvolles Instrument in der Hand, die Preise im Euroraum insgesamt zu stabilisieren.

Anders als etwa die US-Notenbank Fed oder die Bank of England haben die Euro-Währungshüter die Zinswende bisher noch nicht eingeleitet – obwohl die Inflationsrate in Deutschland aktuell mit 7,3 Prozent so hoch ist wie seit 1981 nicht mehr. Frühestens gegen Jahresende haben sie eine Abkehr von ihrer jahrelangen Nullzinspolitik signalisiert.

Eine Leitzinserhöhung, die den Zins der einjährigen deutschen Bundesanleihe um einen viertel Prozentpunkt steigen lasse, würde dem DIW zufolge die deutschen Verbraucherpreise noch im selben Monat um 0,2 Prozent dämpfen. Das entspreche immerhin einem Zehntel des jährlichen Inflationsziels der EZB, das bei zwei Prozent liegt. „Sowohl Heizkosten als auch Kraftstoffe reagieren stark auf eine Zinserhöhung“, heißt es in der Untersuchung. Kraftstoffpreise würden noch im Monat des Zinsschocks um mehr als 4 Prozent nachgeben. „Auch die Preise für Strom und Heizenergie fallen – um immerhin bis zu 2 Prozent – und sinken signifikant für rund zehn Monate“, so die Ökonomen.

Der Effekt geht demnach auf eine Euro-Aufwertung zurück. „Da für Investoren die Anlage in Euro durch die Zinserhöhung attraktiver wird, wertet der Euro zu anderen Währungen auf“, heißt es dazu. „Nach der Zinserhöhung steigt der effektive Wechselkurs des Euro kräftig um 4 Prozent und bleibt für rund zehn Monate erhöht. Das heißt, dass Käufer aus dem Euroraum für die gleiche Euro-Summe zwei Prozent mehr des in Dollar gehandelten Öls erhalten.“ Für Haushalte, die Benzin an der Tankstelle in Euro bezahlen, schlage sich das direkt in niedrigeren Preisen nieder. Der Ölpreis selbst gebe ebenfalls im Zuge des Zinsschocks nach, werde jedoch nur sehr kurz davon beeinträchtigt. Das meist in Euro gehandelte Gas verbillige sich ebenfalls, aber kürzer und vor allem weitaus geringer als Heizöl. „Die Gaspreise im Wohn-Index sinken um nur ein Prozent, während die Preise für Heizöl um neun Prozent nachgeben.“

Eine Zinserhöhung hat dem DIW zufolge aber auch unangenehme Nebenwirkungen. „Schlechtere Finanzierungsbedingungen und eine sinkende Nachfrage lassen die Arbeitslosenquote nach dem Schock um etwas mehr als 0,1 Prozentpunkte steigen“, so die Forscher. Während die Industrie sich schnell erhole und nach rund drei Monaten zum Ausgangsniveau zurückkehre, sei der Anstieg der Arbeitslosenquote nachhaltiger. „Die EZB ist durch den Krieg in der Ukraine mit stark steigenden Energiepreisen und einer gefährdeten wirtschaftlichen Erholung somit in einer schwierigen Lage“, schlussfolgern die Ökonomen. „Durch restriktive Geldpolitik kann sie sich gegen steigende Verbraucher- und auch Energiepreise stemmen, riskiert dadurch jedoch, die Erholung der Wirtschaftsaktivität zu verlangsamen.“

APA/ag

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