„Landes“-Hürden auf dem Weg zur Energiefreiheit

6. April 2022

Ein Erfahrungsbericht aus Kärnten zeigt, wie Anspruch und Wirklichkeit beim Ausbau erneuerbarer Energie auseinanderklaffen.

Mit dem Sprengen der Zwei-Euro-Marke an den Tankstellen ist der Krieg in der Ukraine auch im Geldbörsel der Österreicher angekommen. Flächendeckend haben sich Gaslieferverträge massiv verteuert, und schließlich ist mit der Ankündigung des russischen Präsidenten Putins, das Gas nur mehr gegen Rubel zu liefern, wirklich allen klar geworden, in welchem fatalen Abhängigkeitsverhältnis wir von fossiler Energie stehen.

Da ist plötzlich der zunächst schwammige und unscharfe Begriff Versorgungssicherheit in unser Bewusstsein getreten. Spätestens mit dem Einberufen des Energielenkungsbeirates von Ministerin Leonore Gewessler und der Frage, ob nicht Gas rationiert werden müsste, ist wirklich klar: Nur ein vollständiges Abgehen von fossilen Energieträgern — hin zu erneuerbaren Energien — ist der Weg der Zukunft!

Bis jetzt lief dieser Weg immer unter dem Motto „Bekämpfung der Klimakrise“ — leider mit überschaubaren Erfolg. Das unsichtbare CO32 ist trotz seiner massiven Auswirkungen nicht so „greifbar“ wie ein möglicher sofortiger Gaslieferstopp!

Dabei geht beides Hand in Hand: Ein massiver Ausbau von erneuerbaren Energien ermöglicht Klimaschutz und bietet dabei Versorgungssicherheit!
Ohne Länder geht nichts
Diese Erkenntnis trifft leider schnell auf die österreichische Realität des Faktischen: Der schnelle Ausbau mag gewünscht sein, aber ohne die Länder und deren Raumordnung geht nichts. Diese Ausprägung des Föderalismus führt zu seltsamen Begebenheiten: So darf ein Windkraftprojekt in dem einen Bundesland errichtet werden, aber am selben Bergrücken ein paar Meter hinter der Bundesländergrenze im benachbarten dagegen nicht! Denn es gilt eine andere Raumordnung.

Ich möchte die Absurdität und die Wirren, denen man beim Bau eines Erneuerbaren-Energien-Projekts begegnet, anhand meines Fotovoltaikprojekts in Kärnten schildern — das aber dennoch repräsentativ für die Schwierigkeiten ist, die es in anderen Bundesländern nämlich auch gibt

Der Kärntner Weg

Alle Experten, die bezüglich des Energiesektors in Kärnten etwas zu sagen haben, weisen gebetsmühlenartig darauf hin, dass alle Erneuerbaren-Energie-Potenziale genützt werden müssen, damit Kärnten einerseits die Klimaziele erreichen kann und andererseits unabhängig von fossiler Energie wird.

Es ist nicht so, dass die immer stärker hervortretenden Auswirkungen des Klimawandels und das Thema Versorgungssicherheit nicht von der Landespolitik aufgegriffen werden. Aber nicht mittels einer langfristigen Ausbaustrategie, sondern durch das Setzen von bloß symbolträchtigen Einzelmaßnahmen. Sei es das Kaufen und Vermarkten von Hochwasserschutzsystemen, das Herumtingeln zu den Gemeinden, um Förderungen für den Tausch von Ölkesseln zu verteilen; sogar eine „Blackout“-Roadmap samt Bevorratungstipps gibt es plötzlich. Und alles natürlich stets präsentiert bei einer großen Pressekonferenz mit vielen schönen Fotos.

Hauptsache viele schöne Fotos

Wirklich helfen würde aber nur der Ausbau selbst, doch Kärnten ist beim Bauen äußerst restriktiv. Ich musste das bei meinem Projekt schmerzlich erkennen. Ich möchte nämlich eine Freiflächen-Fotovoltaikanlage errichten: an einem Standort mit hohem Ertrag neben einer Landesstraße mit direktem Anschluss an den Transformator, das alles neben einem Skigebiet und einer Feriendorfsiedlung unterhalb der weithin bis nach Graz sichtbaren großen Radaranlagen der Austro Control und des Bundesheeres.

Fein, dachte ich mir, eine Anlage in einer bereits verbauten Landschaft. Werden da nicht alle froh sein, wenn jemand einen Schritt unternimmt und konkret ein Projekt vorantreiben möchte? Nein! Die Rechnung habe ich ohne den politischen Willen gemacht, denn das „kloane“ Kärnten „is lei ans: A Landle“, wo kategorisch gilt: „Landschaftsschutz über alles“. In meinem Falle muss wohl weiterhin der unbeeinflussbare Blick vom Tal hinauf auf die schönen Radarkugeln gegeben sein.

Kärnten ist noch nicht so weit

Ich dachte mir: Na gut, ist zur Kenntnis zu nehmen, Kärnten ist noch nicht so weit . . . Bis ich die Zeitung aufschlage und mir plötzlich die gleichen Politiker, die eigentlich als Protagonisten des Verhinderns gelten, bei einem ihnen doch genehmen „Vorzeigefreiflächenprojekt“ entgegenlachen. Interessant, wie dieselben Landesgesetze, -verordnungen und -leitlinien plötzlich so ein Projekt sehr wohl zulassen! Schlagartig ist auch keine Rede mehr von „Ortsbildschutz“ oder „schützenswertem Landschaftsbild“, sondern davon, welch wegweisender Schritt in die „Energiezukunft“ da gesetzt wird — samt Gruppenfoto mit der Frau Klimaministerin. Also ein klassischer Fall von „mit zweierlei Maß messen“.

Auf Missstände hinweisen

Man muss auf diese Missstände hinweisen, um Handlungsdruck zu erzeugen — samt konkreten Verbesserungsvorschlägen. Zunächst ist vielen oftmals nicht klar, dass die Raumordnungsthematik Landesmaterie ist. Der Bund mag neue Förderstrukturen schaffen, aber ohne die Länder und Gemeinden, die auch Flächen umwidmen müssen, geht es nicht!

Die vergangenen Wochen haben aber auch klar gezeigt: Mögen Windräder oder PV-Anlagen zwar nicht immer schön sein, so belegen Umfragen doch, dass die Bevölkerung sehr wohl weiß, worum es geht! Sie ist bereit, mit solchen Anlagen zu leben. Und diese Anlagen zieht die Bevölkerung den „Alternativen“ eindeutig vor: Weder will sie sich weiter von (russischen) fossilen Energieträgern abhängig machen noch den weiteren Ausbau von Kernkraftwerken (wie des von Klagenfurt nur 150 km entfernten Blocks II des Kernkraftwerks Krško, Slowenien).

Und manchmal ist es auch ganz einfach: Man sollte von Vorreitern lernen. Also warum wieder einen Arbeitskreis oder gar einen Klimabeirat gründen, bloß um das Rad zum x-ten Male neu zu erfinden? Deutschland ist uns an Erfahrung mit breitflächiger erneuerbarer Energie aus Wind und PV teilweise um 15 Jahre voraus! Man sollte eine lernwillige Delegation nach Baden-Württemberg schicken, um allerlei Unwissen (wie z. B. das Gerücht, dass PV-Freiflächenanlagen den Boden versiegeln oder die Biodiversität zerstören würden) oder Wissenslücken (das Wort und Konzept Agro-Fotovoltaik wurde in Kärnten offenbar noch nie gehört) nachhaltig zu beseitigen.

Einheitliche Raumordnung

Dazu folgt aus den Erfahrungen mit den Ländern in Deutschland die klare Handlungsanweisung für Österreich: Für den Energieausbau gilt es, sachliche und nachvollziehbare Gesetze und Verordnungen zu schaffen — bundesweit einheitlich. Die Bürger müssen Klarheit darüber haben, wie die Voraussetzungen lauten, wie geprüft wird und wann sie erfüllt sind. Von Vorarlberg bis hin zum Burgenland sollte eine einheitliche Raumordnung in Energiefragen greifen!
E-Mails an: debatte@diepresse.com

Die Presse

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