Badelt erwartet schwere Wirtschaftskrise bei Gas-Embargo

7. April 2022, Wien/Kiew (Kyjiw)/Moskau
Badelt warnt davor, die Folgen eines Gas-Embargos zu unterschätzen

Der ehemalige Wifo-Chef und amtierende Fiskalrat-Präsident Christoph Badelt rechnet bei einem EU-Embargo für russisches Gas mit schweren wirtschaftlichen Verwerfungen in Österreich. „In diesem Fall könnten wir vor einer Krise stehen, deren Ausmaß wir uns noch gar nicht vorstellen können“, sagte Badelt im Podcast der „Presse“.

Im Falle eines russischen Gas-Lieferstopps müsse sich die Politik dann darauf konzentrieren, eine durch großflächige Produktionsausfälle entstehende Massenarmut zu verhindern. Es brauche dann gezielte Fördermaßnahmen für bedürftige Personengruppen und Betriebe, so der Ex-Wifo-Chef.

Seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine am 24. Februar habe die EU in Summe 35 Mrd. Euro für Energieimporte aus Russland gezahlt, sagte der Hohe Beauftragte der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, Josep Borrell, am Mittwoch vor dem Europaparlament in Straßburg.

Das von vielen geforderte EU-Embargo für russisches Gas ist nicht umsetzbar, weil Länder mit hoher Abhängigkeit von russischem Gas – etwa Österreich – dies ablehnen. Österreich bezieht sein Gas zum Großteil aus Russland. Laut Schätzungen von Eurostat kommen 59 Prozent des Gases aus Russland – aktuell sprechen heimische Fachleute immer von rund 80 Prozent. Bei seiner etwas niedrigeren Angabe ist Eurostat auf Schätzungen angewiesen, weil Österreich genaue Daten zum Gasimport aus Russland unter Verschluss hält.

„Neben Deutschland sind zum Beispiel Ungarn, Portugal und die Niederlande eher zurückhaltend, was ein Gas-Embargo betrifft“, sagte Finanzminister Magnus Brunner dem „Standard“ (Donnerstag). Das schließe er aus den Wortmeldungen beim dieswöchigen EU-Finanzministertreffen (Ecofin) in Luxemburg. „Wir sind sehr abhängig vom Gas, insbesondere die Industrie. Wenn wir kein Gas mehr hätten, würden Industrie und Zulieferer sehr leiden, also auch die gesamte Wirtschaft“, sagte Brunner.

Für den Finanzminister ist ein EU-Embargo für russisches Gas kein realistisches Szenario. „Es wäre nichts schlimmer, als wenn wir ein Gas-Embargo verhängen würden – und wir kämen dann einige Woche später drauf, dass die Auswirkungen auf unsere Wirtschaft zu dramatisch sind“, so Brunner. „Unsere Wirtschaft ist noch abhängiger vom Gas als die deutsche. Sie könnten theoretisch Kohle wieder hochfahren, könnten Atomkraft hochfahren“, sagte der Finanzminister.

Auch Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat einen aktiven Importstopp für russisches Erdgas mehrfach abgelehnt und zuletzt als „unrealistisch“ bezeichnet. Es werde aber intensiv an einer Diversifizierung der Erdgasimporte, vor allem aber an einer Reduzierung dieser Abhängigkeit durch den Ausbau nachhaltiger Energieproduktion in Österreich gearbeitet, so der Kanzler am Dienstag anlässlich einer Sitzung des Krisenkabinetts im Verteidigungsministerium.

APA

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