Die US-Gasfracker im Dauerboom

12. April 2022

Die Förderung von Schieferöl hat ein Auf und Ab erlebt, beim Gas geht es nur nach oben.

Für die US-Fracker waren die vergangenen fünf Jahre in Sachen Schieferöl mehr als schwierig. Das Überangebot am Markt, zu dem nicht zuletzt der große Fracking-Boom nach der Finanzkrise selbst mit beigetragen hat, führte im Jahr 2015 zu einem Absturz des Ölpreises; viele kleine Bohrunternehmen, die erst ab einem Preisniveau von 60 Dollar halbwegs rentabel produzieren konnten, gaben auf. Wirklich erholt hat sich die wegen ihrer umweltschädlichen Produktionsmethoden stark kritisierte Industrie seither nicht. Auf den moderaten Anstieg der Ölpreise ab 2017 folgte die Corona-Krise mit einem neuerlicher Absturz und einem katastrophalen Nachfrageeinbruch.

Gänzlich anders verlaufen sind die vergangenen Jahre freilich für jene US-Unternehmen, die nicht Erdöl mit hohem Druck und chemischen Substanzen aus tief im Boden liegenden Schichten sprengen, sondern Erdgas. So hat sich die Gesamtfördermenge des sogenannten Schiefergases in den USA zwischen 2010 und 2020 nicht nur verfünffacht. Laut den Daten der US-Energiebehörde EIA vollzieht sich das Wachstum auch mehr oder weniger linear mit nur einem minimalen Einbruch im Pandemiejahr 2021.

In den USA, die dank der Schiefergasrevolution schon jetzt die Liste der größten Erdgasproduzenten vor Russland und dem Iran anführen, dürften in den kommenden Jahren aber schon bald deutlich mehr Lagerstätten erschlossen werden als noch vor einigen Monaten geplant. Denn in Europa, das nach dem Überfall auf die Ukraine vor der bangen Frage steht, wie sich russisches Erdgas möglichst umfassend und schmerzfrei ersetzen lässt, sind Importe aus den USA plötzlich attraktiv geworden. Die wegen des notwendigen Verflüssigungsprozesses (LNG) umständliche und teure Verschiffung nach Europa und die bisher oft geäußerten Umweltschutzbedenken spielen angesichts massiver russischer Kriegsverbrechen keine Rolle mehr.

Vor allem soll es nun schnell gehen. So sieht ein Ende März zwischen US-Präsident Joe Biden und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen geschlossener Deal vor, dass die EU allein im heurigen Jahr zusätzlich 15 Milliarden Kubikmeter Flüssiggas kauft. Langfristig soll die Liefermenge sogar auf 50 Milliarden Kubikmeter pro Jahr steigen. Damit könnte etwa ein Drittel der derzeitigen Gasimporte aus Russland ersetzt werden.

von Ronald Schönhuber

Wiener Zeitung