Ein Lager für den Ökostrom

22. April 2022

Die Abkehr von fossilen Energiequellen dämmt nicht nur die Klimakrise ein, sondern verschafft auch energiepolitische Unabhängigkeit. Der Weg dorthin sind die erneuerbaren Energien, der Schlüssel jedoch die Speichertechnologien. Welche Herausforderungen liegen hier vor uns?

In Wien scheint die Sonne. Aberwenn ein kalter Ostwind vom Burgenland in die Knochen der Städter fährt, müssen sich die Spaziergeher warm anziehen. Für Photovoltaik und Windkraft herrschen jetzt ideale Bedingungen. Die Windparks um die Stadt und die Solarpaneele auf Wiens Dächern liefern Strom im Überfluss, völlig emissionsfrei. Doch sobald Wolken aufziehen und der Wind sich legt, hängt oft grauer Hochnebel über dem Wiener Becken -mitunter tagelang. Da rührt sich dann kein Rotorblatt; auch die Photovoltaikanlagen liefern kaum noch Strom. Dennoch brauchen wir Unmengen von Energie -um unsere Häuser zu beheizen, unsere Lebensmittel zuzubereiten und die Infrastruktur zu betreiben.

Natürliche Schwankungen fallen witterungsbedingt Windkraft und Solarpaneele aus, kann man in Österreich auf Wasserkraft zurückgreifen, denn Flüsse fließen wetterunabhängig in Richtung Meer. Doch viele EU-Länder sind nicht in einer so glücklichen Lage: Sie verwenden Kohle oder Gas, um die natürlichen Schwankungen der erneuerbaren Energieträger auszugleichen. Das schadet nicht nur dem Klima, sondern erhöht auch Europas Abhängigkeit von autoritären Staaten wie Russland oder Saudi-Arabien. Jedes Windrad, jede Solaranlage befreie unser Land „aus der Klammer von Wladimir Putin“, sagte Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne), nachdem die Bundesregierung unlängst ein 300 Millionen Euro-Förderpaket für den Ausbau der Erneuerbaren beschlossen hatte. Wie wichtig wäre es daher, den überschüssig produzierten Strom zu speichern, damit man nachts oder bei Wind-Flaute genug hat! Genau hier kommen die Speichertechnologien ins Spiel.

Der Grundgedanke von Stromspeichern ist, die elektrische Energie in andere Energieformen umzuwandeln, die besser gespeichert werden können. Die naheliegende Lösung sind Batterien oder Akkus, die den Wind-und Sonnenstrom aufnehmen. Dabei wird elektrische Energie als chemische Energie gespeichert. Diese Anlagen eignen sich dazu, kurzfristige Schwankungen der Energieproduktion auszugleichen, da sie schnell geladen und entladen werden können. Große Lithium-Ionen-Akkus speichern schon heute die Energie, die private Photovoltaikanlagen erzeugen. Möglich sind hier auch Kondensatoren oder Schwungräder. Bei letzteren handelt es sich um Scheiben, die mit überschießendem Strom in Drehung versetzt werden. Später betreiben die Schwungräder einen Generator und geben so die in der Rotation gespeicherte Energie als Strom wieder ab. Batterien, Akkus oder auch Schwungräder haben jedoch den Nachteil, dass sie keine großen Mengen Elektrizität für längere Zeit speichern können. Sollen erneuerbare Energien auch im Winter und bei Flaute die Energieversorgung garantieren, muss Strom langfristig verfügbar bleiben. Das ist gar nicht so einfach.Es bieten sich glücklicherweise noch andere Energieformen an, in die die Elektrizität umgewandelt werden kann. Pumpspeicherkraftwerke etwa verwenden überschüssigen Strom, um Wasser in ein höher gelegenes Reservoir zu pumpen. Der Elektromotor der Pumpe wandelt dabei elektrische Energie in Höhenenergie um. Besteht erhöhter Strombedarf, den die erneuerbaren Energien nicht decken können, kann die im Pumpspeicherkraftwerk gespeicherte Energie freigesetzt werden, indem der Prozess einfach umgekehrt wird: Das Wasser fließt aus dem Reservoir ins Tal und betreibt eine Turbine – wie bei herkömmlichen Wasserkraftwerken. Doch es muss nicht unbedingt Wasser sein, das bergauf gepumpt wird. Ähnlich funktionieren Druckluftspeicherkraftwerke: Hier wird im einfachsten Fall Luft in einen unterirdischen Behälter gepumpt -ein künstlich angelegtes Gefäß oder auch Höhlen oder Salzstöcke. Die im aufgebauten Druck steckende Energie kann dann ebenso mittels Turbine wiedergewonnen werden. Pumpspeicherkraftwerke, die mit Wasser arbeiten, beschränken sich aufs Gebirge. Dabei darf nicht übersehen werden, dass die riesigen Speicherbecken einen massiven Eingriff in die Landschaft bedeuten. Druckluftspeicherkraftwerke hätten diesen Nachteil nicht, sie wären im Prinzip überall einsetzbar. Diese Technologie hat aber ihre Probleme: Da Gas auskühlt, wenn es sich rasch ausdehnt, muss die aus dem Druckgefäß austretende Luft mit Erdgas beheizt werden, um zu verhindern, dass die Turbinen einfrieren. Dies ist der umgekehrte Effekt der Fahrradpumpe, die heiß wird, wenn man die Schläuche zu schnell aufpumpt. Insgesamt ist damit der Wirkungsgrad von Druckluftspeicherkraftwerken zu gering, damit sie sich rentieren. Bisher haben wir angenommen, dass man die ganze Energie zurückbekommt, die man in den Speicher steckt. Leider ist das nie der Fall.

Vorbild in der Natur

Der Anteil an Energie, der nach dem Speichervorgang noch überbleibt, ist der Wirkungsgrad. Er sagt, wie viel Energie beim Laden, Entladen oder während des Speicherns verloren gegangen ist. Bei Pumpspeicherkraftwerken etwa kommt es zu Energieverlusten durch Wärmeentwicklungen an Turbine und Generator, aber auch durch Verdunstung oder Versandung der Reservoire. Der Wirkungsgrad von Druckluftspeicherkraftwerken liegt bei höchstens zwei Drittel. Die Forschung an Speicherkraftwerken hat zum Ziel, diesen Wert wesentlich zu steigern. Elektrische Energie kann aber auch anders gespeichert werden -so, wie es die Natur uns vormacht.

Pflanzen und Phytoplankton speichern die Energie der Sonne, indem sie komplexe Moleküle wie zum Beispiel Zucker aufbauen. In diesen Verbindungen steckt die chemische Energie, die freigesetzt wird, wenn wir etwa einen Apfel essen. Ähnliches gilt für Erdöl-und -gas, die aus fossilen Pflanzen bzw. Phytoplankton entstanden sind. In Öl und Gas steckt die Energie der Sonne, die für Jahrmillionen als chemische Energie gespeichert wurde. Neue Speichertechnologien wollen diesen Prozess nachahmen, um Strom zu speichern. Etwa das sogenannte „Power-to-Gas“-Verfahren, bei dem mit überschüssigem Strom Wasser in seine Bestandteile gespalten wird. Es entstehen Sauerstoff und Wasserstoff. Letzterer ist bereits mit Gasturbinen rückverstrombar, kann aber auch zu Methan weiterverarbeitet werden. Methan ist der Hauptbestandteil von Erdgas: So könnte also die bereits bestehende Gasinfrastruktur benutzt werden, um Elektrizität zu speichern. Ähnlich ist es möglich, mit Strom flüssige Treibstoffe herzustellen. An solchen „Power-to-Liquid“-Verfahren wird sie in großem Rahmen einsatzbereit wären: Ihr Wirkungsgrad ist zu gering. aktuell geforscht. Leider sind Technologien, die elektrische als chemische Energie speichern, noch nicht so ausgereift, dass der Ukrainekrieg ist die historische Chance, zwei Probleme auf einmal zu bekämpfen: die Klimakrise und die energiepolitische Abhängigkeit von Russland. Insofern ist es unabdingbar, dass mehr in die Entwicklung der Speichertechnologien investiert wird. Auch die deutsche Bundesregierung hat in einem „Osterpaket“ die weitere Förderung erneuerbarer Energieträger beschlossen. Dort heißt es nun: „Energiesouveränität ist zu einer Frage der nationalen und europäischen Sicherheit geworden.

„Der Autor ist studierter Physiker und arbeitet als Wissenschaftsjournalist in Wien.

Hinweis: Die Kolumne Animal Spirits entfällt, nächster Erscheinungstermin: FURCHE-Nr. 18/2022nach oben

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