Deutschland und Polen wollen weg vom russischen Gas

26. April 2022, Berlin/Warschau

Deutschland will enger mit Polen zusammenarbeiten, um die Abhängigkeit von russischem Öl zu verringern. Bei einem Besuch von Wirtschaftsminister Robert Habeck am Dienstag in Warschau gehe es unter anderem darum, neue Importrouten auszuloten, teilte sein Ministerium mit. Der Grünen-Politiker und seine polnische Kollegin Anna Moskwa wollten sich am frühen Nachmittag äußern.

Wegen des russischen Krieges gegen die Ukraine gibt es immer wieder Forderungen nach einem sofortigem Öl- und Gasembargo gegen Russland. Dies lehnen Staaten wie Deutschland aus Furcht vor schweren wirtschaftlichen Schäden ab.

Der Ersatz des russischen Öls setze neue Lieferländer, Verträge und eine andere Infrastruktur voraus, argumentierte Habecks Ministerium. In Deutschland seien insbesondere die Raffinerien im brandenburgischen Schwedt und in Leuna bei Halle betroffen. Sie werden über Pipelines aus Russland versorgt. „Für eine Umstellung müssen eine Reihe von Voraussetzungen geschaffen werden: Es sind Lieferungen über Häfen notwendig, und es müssen Lieferungen von Mineralölprodukten per Lkw und Zug erfolgen“, betonte das Ministerium. Die Unternehmen und die Bundesregierung arbeiteten mit Hochdruck daran, diese Voraussetzungen zu schaffen.

Der brandenburgische Ministerpräsident Dietmar Woidke warnte vor weitreichenden Folgen eines Lieferstopps aus Russland. „Wenn gelegentlich von drei Millionen zusätzlichen Arbeitslosen geschrieben wird, falls kein Gas und Erdöl mehr aus Russland geliefert wird, so halte ich das für eine Untertreibung“, sagte der SPD-Politiker der „Märkischen Oderzeitung“.

Dagegen kommt eine Untersuchung des Energieexperten Steffen Bukold für die Umweltorganisation Greenpeace zum Ergebnis, dass ein Ölembargo gegen Russland für Deutschland verkraftbar wäre. Die Folgen für die Ölpreise wären voraussichtlich begrenzt. Ein Embargo wäre wirksam und würde Russland treffen, heißt es darin.

Größere Probleme würde es der Studie zufolge in Ostdeutschland wegen der Raffinerien in Schwedt und Leuna geben. Ein Ausfall russischer Öllieferungen würde deren Betreiber vor große Probleme stellen, die ohne „aktive betriebliche und politische Maßnahmen“ in Deutschland und Polen nicht zu lösen seien.

Nach Angaben des Wirtschaftsministeriums von Ende März ist die Abhängigkeit Deutschlands von russischem Öl von 35 auf etwa 25 Prozent gesunken. Bis Mitte des Jahres sollen die russischen Ölimporte nach Deutschland halbiert sein. Zum Jahresende soll die Bundesrepublik nahezu unabhängig sein. Für russische Kohle haben die EU-Staaten bereits einen Importstopp mit einer Übergangsfrist von vier Monaten beschlossen.

Am schwierigsten gilt der Ersatz für russisches Erdgas, das über Pipelines nach Deutschland kommt. Sollte es zu einem Lieferstopp kommen, rechnet etwa das Wirtschaftsforschungsinstitut IWH mit einem Rückgang der Wirtschaftsleistung im kommenden Jahr um zwei Prozent. Dabei wären die Regionen je nach Bedeutung der Industrie unterschiedlich betroffen: So rechnen die Forscher für Baden-Württemberg mit einem Rückgang der Bruttowertschöpfung um 7,7 Prozent. In Mecklenburg-Vorpommern würde er bei 5,1 Prozent liegen, sollten die Gaslieferungen gestoppt werden.

APA/dpa

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