Geopolitische Lage rückt heimische Gasquellen in Fokus

2. Mai 2022, St. Pölten
OMV-Chef Alfred Stern - Wien, APA/FLORIAN WIESER

Der Ukraine-Krieg und die Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen lassen inländische Förderung und Energievorkommen in den Blickpunkt rücken. Der Schwerpunkt der heimischen Erdgasproduktion liegt im Wiener Becken, in früheren Schätzungen wurden große Vorräte vermutet. Die Förderung im Weinviertel sinkt allerdings, Fracking-Pläne wurden 2012 nach Protesten ad acta gelegt und sind laut OMV derzeit kein Thema. Umweltschützer fordern indes einen Ausstieg aus fossiler Energie.

Die OMV hatte nach heftigen Debatten um Fracking 2012 vom Vorhaben der Schiefergasförderung in Niederösterreich abgesehen. Die Ausbeute sollte ursprünglich 2020 beginnen. „Aktuell gibt es dazu keine Pläne“, teilte die OMV nun auf Anfrage mit. Selbst wenn man jetzt beschließen würde, das vorhandene Schiefergas zu fördern, wäre das kurzfristig nicht möglich, sagte OMV-Chef Alfred Stern zur APA. „Das lässt sich nicht über Nacht machen. Wir können nicht ins Weinviertel rausfahren und anfangen Löcher zu bohren, sondern das dauert mehrere Jahre und erfordert intensive Investitionen, um an diese Vorkommen heranzukommen.“ Vor Ende dieses Jahrzehnts könnte nichts gefördert werden, und 2040 wolle man ja in Österreich klimaneutral sein, dann würden für die Nutzung nur noch zehn Jahre bleiben. „Das ist so ähnlich, wie wenn Sie mit 95 beschließen, sich noch ein neues Haus zu bauen.“

2012 hieß es, dass mit dem Schiefergas-Vorrat bei Poysdorf Österreich vermutlich 30 Jahre lang zur Gänze mit Erdgas versorgt werden könnte. Verifiziert wurden diese Vorkommen nicht, auch fanden laut Bergbauministerium keine Bohrungen in diesem Bereich statt. Nachgewiesene Naturgasreserven bestanden laut Montan-Handbuch 2021 per Jahresende 2020 im Ausmaß von rund 6,5 Mrd. Normkubikmetern (Nm3).

Die aktuellen Lagerstätten werden laut Bergbauministerium „weiterhin bestmöglich genutzt“, im Vorjahr wurden 570.000 Tonnen Öl und 640 Mio. m3 Gas produziert. „Im Falle einer möglichen Förderung von Schiefergas ist mit höchster Vorsicht und den größten Sicherheitsstandards vorzugehen. Die Förderung von Schiefergas kann auch nicht mit jener in den USA verglichen werden, da diese in Österreich auf einer Tiefe rund 4.000 Metern vorzufinden sind“, wurde vonseiten des Bergbauministeriums festgehalten.

Reinhard Sachsenhofer vom Lehrstuhl für Erdölgeologie an der Montanuniversität Leoben rechnet nicht mit gewaltigen Schiefergas-Vorräten. „Eine Förderung ist nur in sehr großen Tiefen möglich, was die Bohrkosten erhöht“, verwies er im Gespräch mit der APA auf eine Forschungsarbeit von 2017. Unter normalen Voraussetzungen wäre seinen Angaben zufolge eine Förderung daher nicht ökonomisch. Gewissheit würden aber nur Bohrungen bringen, betonte er. Laut Sachsenhofer wäre es „Aufgabe des Staates, zu schauen, ob die pessimistischen Vorhersagen zutreffen“, angesichts des Ukraine-Krieges könnte der Staat ein strategisches Interesse daran haben.

Die Förderung von Erdgas im Weinviertel ist leicht rückläufig. „Das hängt mit der Reife der Felder zusammen und ist ein natürlicher Rückgang“, teilte ein OMV-Sprecher mit. Der Konzern investiere allerdings, um die Förderung zu erhalten. Mit 3D-Seismik-Messungen hat die OMV 2018 und 2019 in Ostösterreich nach Erdgas gesucht. Dabei wurden auf einer Fläche von rund 1.500 Quadratkilometern vom Nordosten Wiens bis ins niederösterreichische Weinviertel sowie südwestlich der Donau der geologische Untergrund bis zu 6.000 Meter Tiefe erforscht. Die gesammelten Daten wurden ausgewertet. Als Folge der 3D-Seismik-Messungen soll heuer eine erste Explorationsbohrung im Süden des Marchfeldes durchgeführt werden, sagte Erich Hofer, ÖVP-Bürgermeister der Marktgemeinde Auersthal (Bezirk Gänserndorf) und Obmann des Gemeindeverbandes der NÖ Erdöl- und Erdgasgemeinden, zur APA. Größere Proteste erwartet er – im Gegensatz zu 2012, als Fracking-Pläne für „viel Aufregung“ sorgten – nicht.

Das Erscheinungsbild – etwa mit Pumpen – sei man hier gewohnt, schilderte Hofer. Die OMV sei ein großer Arbeitgeber in der Region. Es herrsche „gutes Einvernehmen“ mit dem Konzern, der in regelmäßiger Abstimmung mit den Verantwortlichen stehe. Unter den 59 Gemeinden des Verbandes werden jährlich circa drei Millionen Euro an Kommunalsteuer des Konzerns und von Partnerbetrieben aufgeteilt. Die von der OMV geplante langfristige Einstellung der Öl- und Gasförderung würde sich daher direkt auf die Finanzen der Kommunen auswirken. „Ich unterstütze, dass die OMV aus Gas aussteigen möchte, aber wir werden Gas noch längere Zeit brauchen. Der Ausstieg wird nicht von heute auf morgen gehen“, meinte Hofer.

„Gas wird seit 20 Jahren als Brückentechnologie präsentiert. Jetzt wird es Zeit, dass man über diese Brücke geht und das System ändert“, forderte Johannes Wahlmüller von Global 2000 eine Energiewende. Der Experte der Umweltschutzorganisation verlangte im Gespräch mit der APA, „dass man an Ausstiegsszenarien aus fossiler Energie und nicht an der Verlängerung der Gasförderung arbeitet“. Aufgrund der jahrelangen Vorlaufzeit sollte man gleich auf Infrastruktur für Erneuerbare setzen, so Wahlmüller. Als Maßnahmen nannte er u.a. neue Windparks sowie, dass Öl- und Gasheizungen schrittweise aus dem Verkehr gezogen werden.

Wahlmüller sieht Fracking kritisch: „Trotz des Ukraine-Krieges sollte es ein Tabu bleiben, umweltschädliche Methoden zu verwenden.“ Auch die Förderung im Weinviertel werde „am großen Bild nichts ändern“, nämlich dass man den Ausstieg aus Gas angehen müsse. Für Fracking brauche es eine Umweltverträglichkeitsprüfung, so der Energieexperte. Bei der Methode könnten giftige oder radioaktive Substanzen aus dem Boden herauskommen, zudem bestehe ein erhöhtes Erdbebenrisiko. „Es gibt eine Reihe von Bedenken, die berücksichtigt werden sollen“, erklärte Wahlmüller. Die Auswirkungen von Fracking auf die Umwelt würden sich in anderen Ländern zeigen, „wir wollen das nicht für Österreich“, betonte er.

Erdgas könne bei großen Leckagen bei der Förderung „genauso klimaschädlich sein wie Kohle“, sagte Wahlmüller. Das freigesetzte Methan habe gravierendere Auswirkungen als CO2.

Weniger als zehn Prozent des heimischen Verbrauchs werden laut Experten durch inländische Produktion abgedeckt. Das inländische Erdgas-Fördervolumen der OMV sank 2020 laut der Geologischen Bundesanstalt um 14,4 Prozent auf 668,4 Mio. m3, die EVN-Tochter RAG Austria AG verbuchte einen Rückgang um 33,8 Prozent auf 72,5 Mio. m3. Die australische ADX Energy produzierte rund 2,2 Mio. m3. Bei der Erdgasförderung in Österreich entfielen 90 Prozent auf die OMV, 9,8 Prozent auf die RAG und der Rest auf ADX Energy.

APA

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