Bulgarien will Ausnahme von Öl-Embargo

9. Mai 2022, Kiew (Kyjiw)/Moskau

Nach Ungarn, der Slowakei und Tschechien fordert auch Bulgarien eine Ausnahme vom geplanten russischen Öl-Embargo der EU. Andernfalls werde Bulgarien sein Veto einlegen, sagte der Vize-Ministerpräsident Assen Wassilew am Sonntagabend dem bulgarischen Sender BNT, wie Reuters berichtete. Eine Ausnahme sei notwendig, weil die bulgarische Raffinerie Burgas Zeit für die Ausweitung ihrer Entschwefelung benötige, sollte sie nur noch nicht-russisches Öl verarbeiten.

Die Hälfte des dort verarbeiteten Öls kommt derzeit noch aus Russland. Angesichts der derzeitigen Gespräche mit der EU dazu glaube er aber nicht, dass Bulgarien am Ende sein Veto einlegen müsse, sagte Wassilew.

Konstanza Rangelowa, Energie- und Klimaexpertin am bulgarischen Zentrum für Demokratie-Studien (Center for the Study of Democracy), sieht das anders. Europa – und damit auch Bulgarien – könne ohne russisches Öl auskommen, „wahrscheinlich auch ohne russisches Gas“, fügte sie am Sonntag in einem Hintergrund vor österreichischen Journalisten in Sofia hinzu.

Nur ein Viertel des Erdöls, das Europa importiere komme aus Russland. „Die meisten Stimmen gegen ein Ölembargo sind mit russischen Interessen verbunden, die von den gegenwärtig niedrigen Preisen für russisches Öl profitieren“, sagte Rangelowa. Jede Raffinerie, die russisches Öl verarbeite, verdiene derzeit prächtig; die hohe Gewinnspanne ergebe sich aus dem billigen Öl, das Russland auf den Markt geworfen haben.

Burgas ist die einzige Raffinerie in Bulgarien und die größte Raffinerie auf dem Balkan. Sie gehört zum russischen Lukoil-Konzern, der die derzeit hohen Gewinne abschöpfe und nach Russland transferiere. „Das ist definitiv ein Problem.“ Wenn es heiße, man könne das russische Öl nicht ersetzen, sei das wohl nicht wahr. Burgas liegt am Schwarzen Meer, das auch zum Schauplatz des Ukraine-Krieges geworden ist. Es sei zwar derzeit schwieriger und teurer, Öltanker zu versichern, die ins Schwarze Meer einfahren, aber es könnten genauso gut Tanker aus dem Nahen Osten in das Meer einfahren und Öl nach Burgas liefern, so die Expertin.

Rangelowa bezifferte den Anteil an russischem Öl, das in diesem Jahr bisher für die Raffinerie Burgas importiert wurde, mit etwa 65 Prozent, der Rest habe aus anderen Quellen gestammt und könne erhöht werden. Im Vergleich zu einem Gasembargo sei ein Ölembargo eine wesentlich stärkere wirtschaftliche Waffen gegen Russland, betonte Rangelowa, weil 80 Prozent der russischen Einnahmen für die Ausfuhr von Energierohstoffen auf Öl entfielen; der Gasexport spiele für Russland eine wesentlich kleinere Rolle.

Außenminister Alexander Schallenberg traf am Montag in Sofia Vize-Premier Wassilew sowie seine bulgarische Amtskollegin Teodora Gentschwoska. Er erwarte den Beschluss des nächsten EU-Sanktionspakets gegen Russland samt Öl-Embargo „in den nächsten Tagen“, so Schallenberg, der Verständnis für den bulgarischen Wunsch nach Einschleifregelungen zeigte. Er betonte vor mitgereisten, österreichischen Journalisten, dass die Sanktionen vor allem „massiv auf den militärischen Industriekomplex Russlands“ abzielten.

„Der Erpressungsversuch Russlands mit der Gaskeule ist inakzeptabel“, sagte er mit Blick darauf, dass Russland Bulgarien sowie auch Polen seit Ende April kein Gas mehr liefert und Gaslieferungen auch an andere EU-Staaten einstellen könnte. Derzeit bekommt Bulgarien etwa von Griechenland griechisches Gas sowie russisches Gas, das für Griechenland bestimmt ist, das Griechenland aber Bulgarien überlässt. Erdgas macht nur elf Prozent am bulgarischen Energiemix aus, zugleich hatte sich Bulgarien bis vor Kurzem fast völlig auf Gas aus Russland verlassen. Die Industrie braucht es, und in der kühlen Jahreszeit wird damit Fernwärme für private Haushalte zur Verfügung gestellt.

Die Versorgung wichtiger Gasbezieher in Bulgarien ist laut der Regierung aber zumindest über den Mai gesichert. Laut Expertin Rangelowa muss die bulgarische Regierung die Zeit bis zum Herbst in Sachen Gas gut nutzen: Die Gasspeicher müssten von derzeit 20 Prozent auf 80 Prozent und mehr gefüllt werden. Dazu brauche es „Solidaritätsabkommen“ mit Griechenland oder auch Rumänien, das Bulgarien über bestehende Infrastruktur russisches Gas überlassen könnte. Eine neue Pipeline zwischen Bulgarien und Griechenland soll kurz vor der Fertigstellung stehen und schon ab Juli, spätestens aber im vierten Quartal funktionieren. Vom Peloponnes durchfließen soll auch rückumgewandeltes LNG-Gas und Gas aus Aserbaidschan.

APA

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