Für Strugl Markteingriffe gegen hohe Strompreise denkbar

20. Mai 2022, Wien
Michael Strugl - Wien, APA/FLORIAN WIESER

Verbund-Generaldirektor Michael Strugl hat sich am Freitag für zumindest vorübergehende Eingriffe in den Strommarkt ausgesprochen, um das hohe Stromgroßhandelspreisniveau einzudämmen. „Es muss uns etwas einfallen, um von diesem Preisniveau herunterzukommen“, sagte er in einem Webinar. Welche Mittel das sein könnten, sei letztlich „eine politische Diskussion“. Als Beispiel verwies Strugl auf den Gaspreisdeckel Spaniens zur Stromproduktion.

Falls es „Price Caps“ geben sollte, dann nur im europäischen Gleichklang, betonte Strugl, der auch Präsident des heimischen E-Wirtschaft-Interessenverbandes Oesterreichs Energie ist.

In Spanien soll es für Gas, das zur Stromerzeugung genutzt wird, ein Jahr lang eine Preisobergrenze von 40 Euro pro Megawattstunde (MWh) geben, weit unter den aktuellen Marktpreisen für Erdgas. Die Ausnahmegenehmigung erhalte das Land von der EU-Kommission, weil es eine „Energie-Insel“ sei, so Strugl. Wie Spanien will auch Portugal vom europäischen Strommarktdesign abweichen. In etlichen Ländern wird diskutiert, ob das ein gangbarer Weg zur Strompreisdämpfung sein kann – „die Regulatoren glauben das nicht“, erinnerte der Verbund-Chef an die Meinung der EU-Regulierungsagentur Acer. Bezahlen müsste die jeweilige Gaspreisdifferenz die öffentliche Hand, also die Staaten, so Strugl.

Das seit 20 Jahren praktizierte Marktmodell zur Preisbildung im Großhandel verteidigte Strugl. Das Modell der „Merit Order“, wonach – aufsteigend nach den Grenzkosten – immer zuerst das billigste Kraftwerk eingesetzt werden soll, habe im Prinzip gut funktioniert. Am günstigsten ist Strom aus Solaranlagen, gefolgt von Windkraft, Wasserkraft – erst zum Schluss kommen die kalorischen Kraftwerke.

Bei den täglichen Day-ahead-Auktionen würden in Europa jeweils für den Folgetag die Angebote vom billigsten bis zum teuersten abgearbeitet, solang bis der Bedarf an Kraftwerken zur Stromerzeugung gedeckt sei. Das jeweils letzte Kraftwerk setze dann den Marktpreis für alle nach dem Motto „paid as cleared“ – deshalb sei dann auch bei uns trotz des vielen Wasserkraftstroms der Marktpreis hoch. Die günstigsten Erzeuger würden bei diesem Marktmodell profitieren, weil ihre Anlagen viele Stunden im Einsatz sein könnten, fossile Produzenten dagegen nur für wenige Stunden.

Strugl: „Der Vorteil ist: Die Preise sind insgesamt niedriger, das haben wir 20 Jahre lang erlebt.“ Und es würden Preissignale gesetzt, damit Investments in die erneuerbare Erzeugung attraktiv seien. Am Ende werde entlang einer Preiskurve der Strom verteilt („Euphemia-Algorithmus“), sodass möglichst viele Stromkunden in Europa davon profitierten, so der Verbund-Chef.

Der Krieg in der Ukraine habe im Energiesektor voll eingeschlagen und die schon im Vorjahr deutlich gestiegenen Energiepreise bei Öl, Gas, Kohle, Strom sowie auch die CO2-Notierungen noch weiter nach oben gezogen. Diese hohen Preise müssten die privaten Konsumenten, die Industrie, die Wirtschaft insgesamt und auch der Wirtschaftsstandort verkraften. Diese Preisrallye in ganz Europa sehe er als „größtes Problem“, sagte Strugl auf eine Frage.

Russisches Erdgas zu substituieren werde nicht ganz einfach sein, und die Preise würden dadurch auch nicht sinken. „Käme es tatsächlich zu Lieferunterbrechungen, dann wäre es eine echte Krise, die alle in Schwierigkeiten bringt.“ Vor diesem Problem stünden nicht nur Österreich und Deutschland, sondern alle europäischen Staaten, so der Verbund-Chef. Ob für die nun auch EU-weit geplante raschere Auffüllung der Speicher genug Gas am Markt vorhanden sei, werde man sehen. Dass die Speicher in Österreich schon wieder zu 25 Prozent gefüllt seien, zeige, dass es Anstrengungen gebe, die funktionierten. Weil in vielen Ländern vermehrt eingespeichert werde, steige jedoch die Nachfrage, und das führe zu höheren Stromgroßhandelspreisen.

Die Gasquellen-Diversifizierung sei „eine multiple Herausforderung“ für ganz Europa, „und man muss an vielen Schrauben drehen“. Es seien „viele Anstrengungen nötig“, verwies Strugl etwa auf den Bau von LNG-Terminals, den Bedarf an Schiffen zum Flüssigerdgas-Transport bis hin zu Einsparbemühungen oder dem großen Wasserstoff-Thema. Natürlich gebe es mit den zusätzlichen LNG-Terminals auch „Lock-in-Effekte“, weil sich diese Investments ja auch rentieren müssten. „Man konterkariert damit die Klimapolitik ‚weg von den Fossilen hin zu Erneuerbaren'“, räumte Strugl auf eine entsprechende Frage ein. „Da kommen wir in der Tat in ein Spannungsfeld. Aber wir sind wegen des Krieges in einer Ausnahmesituation.“

APA

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