Brüssel prüft Pipeline zwischen Spanien und Italien

25. Mai 2022, Madrid/Brüssel

Beim Versuch, Europa unabhängiger vom russischen Gas zu machen, rückt Spanien immer mehr in den Fokus. Wie die spanische Tageszeitung „El Pais“ am Mittwoch berichtet, prüft die Europäische Kommission derzeit den Bau einer Offshore-Pipeline zwischen Spanien und Italien.

Laut dem Brüsseler RepowerEU-Plan könnte die Gaspipeline von Barcelona durch das Mittelmeer ins norditalienische Livorno führen. Die EU-Kommission kalkuliert, die 700 Kilometer lange Gasleitung, die zwischen 2,5 und 3 Milliarden Euro kosten dürfte, in ein bis zwei Jahren fertigstellen zu können.

Der italienische Gaskonzern Snam hat bereits mit der spanischen Enagas vereinbart, den Bau einer Offshore-Pipeline zwischen den beiden Ländern zu prüfen, da sich Europa bemüht, seinen Energieversorgungsmix auf diesem Weg zu diversifizieren und sich vom russischen Gas zu lösen. Die Pipeline hätte, wenn sie genehmigt wird, eine Kapazität von bis zu 30 Mrd. Kubikmetern pro Jahr.

Gleichzeitig wird über den Weiterbau der MidCat-Pipeline durch das Pyrenäen-Gebirge nachgedacht, um Gas von Spanien nach Südfrankreich transportieren zu können. Eigentlich sollte die 200 Kilometer lange Gasverbindung zwischen Nordspanien und Südfrankreich schon vor Jahren fertiggestellt werden. Doch 2018 wurde der Bau gestoppt, weil in Madrid, Paris sowie in Brüssel Zweifel an der Wirtschaftlichkeit aufkamen. Vor dem Hintergrund des russischen Kriegs gegen die Ukraine könnte das Projekt jetzt wieder aufgenommen werden.

Nach dem alten Projekt sollten bis zu 8 Mrd. Kubikmeter Erdgas pro Jahr durch MidCat geschickt werden. Zusammen mit zwei kleineren Fernleitungen, die bereits zwischen Spanien und Frankreich existieren, könnten somit jährlich mindestens 15 zusätzliche Mrd. Kubikmeter Gas nach Zentraleuropa fließen.

Die Spanier sind bereit. Bedingung: Brüssel müsse die Baukosten von schätzungsweise 3 Mrd. Euro übernehmen. Vor allem Deutschland, größter EU-Empfänger russischen Gases, unterstützt die Wiederaufnahme des MidCat-Plans.

Spanien ist energietechnisch durch das Pyrenäengebirge relativ isoliert vom restlichen Europa und bezieht sein Gas vor allem über zwei Offshore-Pipelines aus dem nordafrikanischen Algerien sowie per Schiff Flüssiggas aus Ländern wie den USA, Katar, Nigeria, Trinidad und Tobago. So verfügt Spanien auch über insgesamt sechs Regasifizierungsanlagen. Das sind rund 42 Prozent sämtlicher Speicherkapazitäten für verflüssigtes Erdgas in der EU.

Aus Algerien erhält Spanien über die MedGaz Offshore-Pipeline jährlich rund 10 Mrd. Kubikmeter Gas, das von Algeriens rohstoffreicher Wüste durchs Mittelmeer bis zum südspanischen Küstenort Almería und von dort ins nördliche Barcelona transportiert wird. Eine zweite Pipeline namens Maghreb-Europe führt von Algerien über Marokko durch die Meerenge von Gibraltar nach Südspanien und verfügt über eine Kapazität von rund 12 Mrd. Kubikmeter jährlich.

„Spanien wird eine wichtige Rolle in der Versorgung Europas spielen. Dafür müssen wir an der Vernetzung zwischen der Iberischen Halbinsel und dem Rest Europas arbeiten“, kündigte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bereits im März auf einem Besuch in Madrid an, bei dem sie mit dem spanischen Regierungschef Pedro Sánchez über die Gaskrise beraten hatte.

APA

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