Geheimdienst warnte vor OMV-Chef

8. Juni 2022, Wien

Energie. Ex-OMV-Vorstand Rainer Seele wird für die Abhängigkeit von Russland verantwortlich gemacht. Ein Dienst warnte Österreich 2015. Seeles Bestellung war eine bewusste Entscheidung.

Österreich lebt mit Russland in einer Zwangsehe — 80 Prozent des heimischen Gasverbrauches werden von Russland gedeckt. Eine schnelle Scheidung ist also unmöglich. Die Schuld an der Misere gibt man nun vor allem einem: Ex-OMV-Vorstand Rainer Seele. Er hat maßgeblich zur Transformation des Energiemarktes gen Russland beigetragen. Darum hat ihm die Aktionärshauptversammlung am vergangenen Freitag auch die Entlastung versagt. Konnte man wirklich nicht wissen, wohin er führt? Im Gegenteil: Der „Presse“ liegen Informationen vor, dass ein westlicher Geheimdienst Österreich sogar ausdrücklich vor Seele gewarnt hat.

Gas ist auf der ganzen Welt nicht nur eine Ware, sondern ein Politikum. Insofern werden große Firmenübernahmen oder personelle Veränderung auch im Ausland mit Argusaugen beobachtet. So geschehen im Jahr 2015, als Österreich einen neuen OMV-Vorstand suchte. Die Wahl fiel auf den Norddeutschen Rainer Seele. Im befreundeten Ausland schrillten die Alarmglocken, Österreich wurden geheimdienstliche Informationen zugetragen. Succus: Putin selbst würde Seele als OMV-Spitze fördern, denn das sei den Interessen Russlands nur dienlich. Seeles Einsatz als Vorstand der OMV würde Österreich in eine größere Abhängigkeit von Russland bringen. Was mit dem Dokument passierte? Wie in Österreich so oft: nichts.

Putins norddeutscher Freund

Was auf dem Papier stand, war wenig überraschend. Die rot-schwarze Koalition hatte kein Problem mit Russland-Nähe. Im Gegenteil.

Als man im Jahr 2015 einen neuen OMV-Chef suchte, war das teilstaatliche Unternehmen ziemlich heruntergewirtschaftet. Seeles präsentierter Lösungsansatz: billiges Gas aus Russland. Der Norddeutsche arbeitete zuvor bei Wintershall, dem heute größten Produzenten von Rohöl und Erdgas in Deutschland. Seit den 1990er-Jahren hat das Unternehmen eine Vereinbarung mit Gazprom zur Vermarktung von russischem Gas in Deutschland. 1993 gründeten die beiden Unternehmen mit Wingas ein Jointventure. 2015 ging der Erdgashandel der Wintershall komplett in russischen Besitz über. Und Wintershall ist auch Miteigentümer der Nord-Stream-Pipeline von Gazprom. Viele dieser großen Entscheidungen wurden von ihm getroffen: Rainer Seele, von 2009 bis 2015 Vorstandsvorsitzender von Wintershall.

Dass solche Deals nur Personen unter Dach und Fach bringen können, die einen guten Draht zum Kreml haben — das war den politischen Verantwortlichen in Österreich durchaus klar. Wer Vorstand der OMV wird, das bestimmt in der Theorie ausschließlich der Aufsichtsrat, wie die OMV die „Presse“, angesprochen auf die geheimdienstlichen Dokumente, wissen ließ. In der Praxis werden solche Posten aber nicht ohne den Segen der Politik vergeben.
Einer der größten Seele-Befürworter war damals Sigfried Wolf. Der Unternehmer machte schon seit Jahrzehnten Geschäfte mit Russland, pflegt beste Kontakte zum Kreml. Sein wichtigster Geschäftspartner ist der Oligarch Oleg Deripaska, der nun auf der EU-Sanktionsliste steht. Auf der Liste der USA steht er schon länger: Wolf bat darum sogar Ex-Kanzler Sebastian Kurz, für Deripaska bei den USA ein gutes Wort einzulegen — was dieser gern tat. Wolf war 2015 auch Aufsichtsratsvorsitzender der Staatsholding ÖIAG, die als OMV-Teileigentümer ein gewichtiges Wort bei der Vorstandsbestellung mitzureden hatte. Der für die ÖIAG zuständige ÖVP-Finanzminister war Hansjörg Schelling. Dieser stieg übrigens nach seiner Politikerkarriere als Berater bei Gazprom für das Projekt „Nord Stream 2“ ein.

Österreichs Aufwartung

Wenn man heute über die von der OMV produzierten Abhängigkeiten zu Russland spricht, ist Seele nicht allein zuständig. Es gibt sowohl in der Politik als auch bei der OMV viele, die die Russland-freundliche Strategie lang guthießen. Im Herbst 2018 schrieb etwa ein OMV-Manager an Wolf: „St. Petersburg hat Rainer S. nominiert: Er/Du/René (Anm. Benko) und ich im Kreis um Seb. (Anm. Kurz) und großer Chef passt das?“ Kurz reiste in Begleitung der Genannten im Oktober nach Moskau, um Putin zu treffen. Das vierte Mal in jenem Jahr.

Die Presse

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